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FOKUS9Schulblatt Thurgau 1 | M%u00e4rz 2025sehr viele Angebote zur Qualit%u00e4tsentwicklung von Schule und Unterricht zu finden sind: Evaluationsb%u00f6gen, Unterrichtsmaterialien, Konzepte und Praxismaterialien zur Kooperation in Schul- und Unterrichtsteams und zur Schul- und Unterrichtsentwicklung. Das f%u00fcr diesen Beitrag relevante Material sind die Evaluationsb%u00f6gen im %u00abEvaluationscenter%u00bb. Hier lassen sich bereits entwickelte Frageb%u00f6gen zu zahlreichen hochrelevanten Themen finden. %u2022 Bei EMU (Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnostik) erhalten Lehrpersonen ebenfalls Zugang zu Frageb%u00f6gen (Helmke et al., 2011). Es wird auf ausgew%u00e4hlte Merkmale guten Unterrichts fokussiert, wie etwa effiziente Klassenf%u00fchrung, kognitive Aktivierung, lernf%u00f6rderliches Klima sowie Klarheit und Strukturiertheit. Zus%u00e4tzlich wird in EMU ein Abgleich zwischen Selbst- und Fremdeinsch%u00e4tzungen angestrebt. Also die eigene Einsch%u00e4tzung der Lehrperson kann denen der Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fclern sowie auch denen der Arbeitskolleginnen und -kollegen gegen%u00fcbergestellt werden. Ebenso l%u00e4sst sich auf der Website ein Tool zur Auswertung und Visualisierung der Ergebnisse herunterladen. Im Unterschied zu IQES ist der Zugang zu EMU kostenfrei. %u2022 Wenn Lehrpersonen sich st%u00e4rker auf soziale Aspekte in Lehr- und Lernprozessen fokussieren und das soziale Gef%u00fcge in der Klasse systematisch betrachten m%u00f6chten, dann eignen sich soziale Netzwerkkarten (siehe Eingangsbeispiel). Netzwerkkarten bilden soziale Beziehungen einer Gruppe auf einer zweidimensionalen Fl%u00e4che ab. Diese Karten sind ein m%u00e4chtiges Instrument, um sich der Komplexit%u00e4t sozialer Beziehungssysteme anzun%u00e4hern. Hierzu habe ich (Galle, 2024) eine Webapplikation entwickelt, in der nach dem Hochladen der Daten eine besseres Klassenklima beginnen sollte (z.B. Gespr%u00e4che %u00fcber ein positives soziales Miteinander). Es ist kaum m%u00f6glich, das soziale Gef%u00fcge vollumf%u00e4nglich zu kennen, da bei 20 Kindern etwa 190 dyadische Beziehungen bestehen. Es bietet sich hier an, systematisch Daten von den Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fclern zu ihren sozialen Beziehungen zu erheben. Hierbei stellt die Lehrperson allen Kindern dieselbe Frage, zum Beispiel, mit wem spielst du in der Pause am liebsten. Mit der Frage werden Freundschaftsbeziehungen in der Klasse erfasst. Jedes Kind beantwortet f%u00fcr sich und ohne Beeinflussung der anderen Kinder diese Frage. Mit den Antworten aller Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fcler (Evidenz) kann die Lehrperson nun weiterarbeiten, indem sie etwa eine soziale Netzwerkkarte (Soziogramm) ihrer Klasse mit einer weiter unten beschriebenen Applikation erstellt.Ein solches Arbeiten mit Evidenzen bietet das Potenzial, dass alle Kinder dieselben M%u00f6glichkeiten haben, ihre Sicht der Lehrperson mitzuteilen. Zudem kann die Lehrperson eigene %u00abblinde Flecken%u00bb aufdecken, also Aspekte sichtbar machen, die ihr gar nicht bewusst waren. Solche %u00abblinden Flecken%u00bb sind im Kontext der Komplexit%u00e4t von Lehr- und Lernprozessen normal.Instrumente zur Unterst%u00fctzung der Reflexionvon Lehr- und LernprozessenEs gibt eine Vielzahl von Instrumenten, die Lehrpersonen bei der Reflexion unterst%u00fctzen k%u00f6nnen. Im Folgenden werden sechs skizziert: Luuise, IQES, EMU, Netzwerkkarten, Lesson Studies und kollegiales Unterrichtscoaching.%u2022 Luuise (Beywl et al., 2023) %u2013 ein Akronym f%u00fcr %u00abLehrpersonen unterrichten und untersuchen integriert, sichtbar und effektiv%u00bb %u2013 ist ein Verfahren, bei dem Lehrpersonen spezifische Herausforderungen, sogenannte %u00abKnackn%u00fcsse%u00bb, in ihrem Unterricht identifizieren und auf gesammelten Daten aufbauend reflektieren. Positiv hervorzuheben ist der partizipative Charakter des Instruments: Es soll m%u00f6glichst gemeinsam mit den Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fclern umgesetzt werden. Zuerst benennt die Lehrperson eine wiederkehrende p%u00e4dagogische Herausforderung im Unterricht (%u00abKnacknuss%u00bb), die sie ver%u00e4ndern m%u00f6chte. Zweitens setzt sich die Lehrperson Ziele, die spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sind (SMART). Drittens entwickelt die Lehrperson eine Unterrichtsintervention und viertens ein Instrument zur Erhebung von Daten, mit dem Informationen zum Gelingen der Intervention erfasst werden. Bei der praktischen Umsetzung der Datenerhebung achtet die Lehrperson darauf, diese in den Unterrichtsablauf zu integrieren und dass Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fcler die Fragen selbstst%u00e4ndig beantworten k%u00f6nnen (z.B. Punktabfragen oder visuelle Darstellungen von Lernfortschritten). F%u00fcnftens wertet die Lehrperson nach der Intervention die Daten aus und reflektiert darauf aufbauend die Lehr- und Lernprozesse. Hierbei werden die Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fcler und gegebenenfalls weitere relevante Personen einbezogen. %u2022 W%u00e4hrend bei Luuise die Lehrperson eigene Erhebungsinstrumente entwickelt, werden diese bei den n%u00e4chsten zwei Programmen %u2013 IQES und EMU %u2013 bereitgestellt. IQES steht f%u00fcr %u00abInstrumente f%u00fcr die Qualit%u00e4tsentwicklung und Selbstevaluation an Schulen%u00bb und ist eine digitale Plattform, auf der Zur PersonDr. Marco Galle ist Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der P%u00e4dagogischen Hochschule Luzern. Er besch%u00e4ftigt sich mit Lernprozessen in sozialen Netzwerken und forscht zu den Themen Kooperation, Unterrichtsqualit%u00e4t und Professionalisierung. Seine Forschungsergebnisse fliessen in die Aus- und Weiterbildung ein.