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                                    FOKUS8Schulblatt Thurgau 1 | M%u00e4rz 2025Professionelle T%u00e4tigkeiten weiterentwickelnBei der Unterrichtsentwicklung helfen Berufserfahrungen, Fachwissen und Evidenzen. Letztere erm%u00f6glichen es, Unbekanntes zu entdecken und so die eigene Professionalit%u00e4t zu st%u00e4rken.Text: Marco Galle, Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter, P%u00e4dagogische Hochschule Luzernnterricht ist das Kerngesch%u00e4ft von Lehrpersonen und gleichzeitig ein sehr herausforderndes %u00abGesch%u00e4ft%u00bb, da Lehren und Lernen komplexe Prozesse sind. Die Komplexit%u00e4t zeigt sich etwa in der bekannten Studie des neuseel%u00e4ndischen Bildungsforschers John Hattie: In seiner Zusammenfassung von mehr als 2000 Metastudien konnte er %u00fcber 250 Faktoren identifizieren, die den Lernerfolg von Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fclern beeinflussen (Hattie, 2023). Eine Lehrperson kann unm%u00f6glich alle Faktoren in einer Unterrichtssequenz im Blick behalten. Eine gute Lehrperson zeichnet sich dadurch aus, dass sie einzelne, f%u00fcr das Lernen der Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fcler hochbedeutsame Faktoren erkennt, auf diese ausgerichtet wirkungsvoll t%u00e4tig ist sowie das Lehren und Lernen reflektiert.Lehrpersonen greifen beim Reflektieren von Lehr- und Lernprozessen auf die eigene Berufserfahrung und auf ihr Fachwissen zur%u00fcck. Zus%u00e4tzlich kann evidenzbasiertes Wissen in Reflexionsprozessen wertvolle Informationen liefern, um Aspekte zu erkennen, die der Lehrperson kaum oder gar nicht bewusst sind. Dieses Wissen erlangen Lehrpersonen beispielsweise durch den Einsatz von forschungsbasierten Instrumenten. Diese sind so aufbereitet, dass Lehrpersonen sie ohne spezifische Kenntnisse %u00fcber forschungsmethodische Grundlagen einsetzen k%u00f6nnen. In diesem Beitrag werden ausgew%u00e4hlte Instrumente beschrieben.Reflexion von Evidenzen als Anlass f%u00fcr ProfessionalisierungBevor die Instrumente vorgestellt werden, folgen grundlegende Schritte in einer reflexiven Auseinandersetzung mit Lehr- und Lernprozessen. Diese unterst%u00fctzen darin, zwei bedeutsame Phasen des Erkenntnisgewinns %u2013 Beschreibung und Interpretation %u2013 klar voneinander zu trennen. Wenn etwa Lehr- und Lernprozesse zu wenig beschrieben und zu schnell interpretiert werden, besteht die Gefahr, dass relevante Aspekte f%u00fcr das Verstehen der Lehrund Lernprozesse in der Phase der Beschreibung nicht entdeckt werden. Eine professionelle Reflexion l%u00e4sst sich in Anlehnung an das ALACT-Modell des niederl%u00e4ndischen Bildungsforschers Fred Korthagen (2017) in f%u00fcnf Phasen unterteilen: Ausgangspunkt ist eine spezifische, auf Lehr- und Lernprozesse bezogene Situation. Die Lehrperson blickt auf die Situation zur%u00fcck und beschreibt, was genau passiert ist. Hierf%u00fcr werden eigene Beobachtungen sowie systematisch erhobene Evidenzen zusammengetragen und beschrieben.Im n%u00e4chsten Schritt erfolgt die Interpretation der Situation. Es geht darum zu kl%u00e4ren, warum die Situation so verlaufen ist, wie sie verlaufen ist. Ziel ist es, Kernaspekte, Dynamiken und Muster zu erkennen. In diesem Schritt k%u00f6nnen auch eigene %u00dcberzeugungen, Annahmen und Emotionen eingebunden werden.Aufbauend auf der Interpretation entwickelt die Lehrperson alternative T%u00e4tigkeiten f%u00fcr zuk%u00fcnftige %u00e4hnliche Situationen.Zum Schluss sollen diese neuen T%u00e4tigkeiten ausprobiert werden.UEin Beispiel zur systematischen Erfassung von EvidenzDer erste Schritt im ALACT-Modell (Wahrnehmen einer auf Lehr- und Lernprozesse bezogenen Situation) wird durch Instrumente (Fragebogen, Interview etc.) wirkungsvoll unterst%u00fctzt, da mit diesen Instrumenten systematisch Informationen (Evidenzen) erhoben werden. Was bedeutet systematisch? Stellen wir uns einmal vor, in einer Klasse bemerkt eine Lehrperson ung%u00fcnstige soziale Dynamiken, wo es Gruppenbildungen und teils asoziales Verhalten gibt. Die Lehrperson nimmt dies zwar wahr, weiss aber nicht im Detail, wie die einzelnen Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fcler zueinanderstehen und bei welchen Sch%u00fclerinnen und Sch%u00fclern sie am besten mit Interventionen f%u00fcr ein 
                                
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