Page 34 - Schulblatt Thurgau 06 2013
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LehrpLAn 21 AUSGABE 5 · ScHULBLATT DEZEMBER 2013
Raum unter dem Einfluss von Reformp̈dagogik, Konstrukti- Breit abgesẗtzte projektorganisation
vismus und Pragmatismus eine Position, welche erfahrungs- Eine spezielle Herausforderung f̈r einen Lehrplan, an dem
und handlungsorientiertes Lernen betonte. In den Blick r̈cken 21 Kantone beteiligt sind, ist der Umstand, dass die heutigen
damit Kompetenzen. Aus Sicht der Lernpsychologie handelt es Stundentafeln der Kantone grosse Unterschiede aufweisen.
sich dabei um F̈higkeiten und Fertigkeiten der Lernenden, be- Entsprechend gehen Planungsannahmen f̈r die einzelnen
stimmte Probleme – seien es nun fachliche oder ̈berfachliche – F̈cher von einem maximalen F̈llungsgrad von 80 % aus. Will
erfolgreich l̈sen zu k̈nnen. Insbesondere durch PISA erhielt heissen: Die im Lehrplan bezeichneten Inhalte und Kompe-
dieses Konzept und die damit verbundene, ver̈nderte Aufga- tenzen sollten lediglich vier F̈nftel der Unterrichtszeit bean-
benkultur auch im deutschen Sprachraum gr̈ssere Beachtung. spruchen. Mittlerweile liegt ein Entwurf vor, in dem fachliche
und f̈cher̈bergreifende Inhalte bezeichnet und als Kompe-
F̈r die Lehrpl̈ne bedeutete dies, dass nun mehr das ange-
strebte Verhalten der Scḧlerinnen und Scḧler in den Fokus tenzbeschreibungen formuliert sind. In der Regel sind letztere
r̈ckte, ẅhrend traditionell eher die Inhalte bezeichnet wurden, als sogenannte «can Do’s» formuliert und bezeichnen die
welche von den Lehrpersonen zu behandeln waren. Als wei- Themen- und Handlungsaspekte, welche die Scḧlerinnen
tere globale Tendenzen, welche die Entwicklung von Lehrpl̈nen und Scḧler in den einzelnen fachlichen Kompetenzbereichen
beeinflussen, sind Outputorientierung und Bildungsstandards erreichen sollten.
zu nennen. Im Sinne einer Rechenschaftslegung interessiert
heute zunehmend, welche Leistungen in einem Bildungssy- Der Entwurf befindet sich noch bis Ende des laufenden Jahres
stem erbracht werden. Die Definitionen verschiedener Autoren in Konsultation bei den einzelnen Projektkantonen. Aufgrund
zusammenfassend sind Bildungsstandards Aussagen dar̈ber, der R̈ckmeldungen erfolgt anschliessend eine ̈berarbeitung
was Lernende zu bestimmten Zeiten ihrer Schulkarriere k̈nnen des vorliegenden Entwurfes, der danach den Kantonen zur Um-
sollen und wie gut sie dies tun. Entsprechend m̈ssen Lehrpl̈ne setzung freigegeben wird. Wie in anderen Kantonen auch, sind
diesen Bildungszielen entsprechen.
im Thurgau die Vorarbeiten zur Einf̈hrung des Lehrplans 21
bereits angelaufen (siehe Schulblatt Februar 2013).
Schulzeit wird in drei Zyklen eingeteilt
Der Lehrplan 21 ist in seiner vorliegenden Konzeption ein ty-
pisches Ergebnis der skizzierten Entwicklungen. Mit der An-
nahme des Bildungsartikels durch den Souver̈n wurde die
Grundlage f̈r das sogenannte HarmoS-Konkordat geschaf- INFORMATIONEN
fen, welches die Schaffung sprachregionaler Lehrpl̈ne und
die Entwicklung von nationalen Bildungszielen (Bildungsstan- Stand der Entwicklung:
dards) vorsieht. Ẅhrend sich in der Westschweiz der PER (Plan www.lehrplan.ch
d’́tudes romand) bereits seit 2010 in Gebrauch befindet, ist die
Einf̈hrung des gemeinsamen Lehrplans f̈r die Deutschschwei- Einf̈hrung im Kanton Thurgau:
zer Kantone f̈r 2014 vorgesehen. Er ist Teil des sogenannten www.schuletg.ch/lehrplan_21_im_thurgau
HarmoS-Konkordats, das die Abstimmung und Koordination
von Lehrpl̈nen, Lehrmitteln und Evaluationsinstrumenten auf Der Autor wird das Hauptreferat an der Thementagung
sprachregionaler Ebene zum Zweck hat und die Zusammenar- 2014 halten. Der vorliegende Artikel erschien bereits im PH-
beit der Kantone bef̈rdern will. Er differenziert sechs Fachbe- Akzente Magazin (PHZH) und wurde aktualisiert, Literatur
reiche: Sprachen, Mathematik, Natur, Mensch und Gesellschaft, dazu unter «Weiter in Text & Netz».
Gestalten, Musik sowie Bewegung und Sport. Dar̈ber hinaus
werden ̈berfachliche Kompetenzen benannt (personale, sozi-
ale und methodische Kompetenzen); ebenso werden f̈cher-
̈bergreifende Themen spezifiziert (berufliche Entwicklung, IcT
und Medien sowie Bildung f̈r nachhaltige Entwicklung). Unter
Ber̈cksichtigung kantonaler Differenzen im Schuleingangsbe- PORTR̈T
reich wird die gesamte Schulzeit von elf Jahren in drei Zyklen
eingeteilt: Zyklus 1 umfasst Kindergarten, respektive Grund-
Ulrich Halbheer war bis 1999 als Lehrer
oder Basisstufe und die ersten beiden Klassen der Volksschule, an der Volksschule des Kantons Z̈rich
Zyklus 2 die daran anschliessenden vier Primarschuljahre und
ẗtig, bevor er Erziehungswissenschaft
Zyklus 3 die drei Sekundarschuljahre. Die genannten Fach- und Psychopathologie an der Universiẗt
bereiche erfahren in den beiden ḧheren Zyklen eine zuneh-
mende fachliche Differenzierung. Sie sollen auch Bez̈ge zu Z̈rich studierte und promovierte. Nach
zweij̈hriger T̈tigkeit als Fachexperte
̈berfachlichen Kompetenzen er̈ffnen. Pro Zyklus werden f̈r
die einzelnen Fachbereiche Mindestanspr̈che festgelegt. Diese f̈r Schul- und Unterrichtsentwicklung im
Amt f̈r Volksschule des Kantons Thurgau
Mindestanspr̈che sind als Kompetenzstufen formuliert, welche
am Schluss des jeweiligen Zyklus erreicht werden sollen. In den arbeitete er von 2010 bis 2012 als Bereichsleiter Unterricht und Lernen an
F̈chern Schulsprache, Mathematik sowie Naturwissenschaften der PHZH. Seit August 2012 ist Ulrich Halbheer Dozent und Leiter des
und Fremdsprachen entsprechen diese Niveaus den Mindest- Studiengangs Primarstufe an der PHTG.
standards der nationalen Bildungsziele.