Page 13 - Schulblatt Thurgau 06 2013
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Schulblatt Thurgau 6 • Dezember 2013 F o k u s 13
LEhRPLan 21
Religion in kultureller
Perspektive
Die Kompetenzen des Lehrplans 21 gelten – im unter-
schied zu einer religïsen unterweisung – f̈r alle
Scḧlerinnen und Scḧler, ungeachtet ihrer religïsen
Zugeḧrigkeit.
Feuer und Religion wohnen ̈hnliche Eigenschaften inne.
Bild: Christoph Knoch
Johannes Rudolf Kilchsperger, Fachbereich Religion und Kultur PHZH
halb auch der Volksschule. Die Thematisierung von Religion im
Lehrplan 21 setzt bei den Kindern keine religïse Unterweisung
I
voraus und soll eine solche weder ersetzen noch konkurren-
n Bezug auf das Thema Religion an den Schulen gleicht die zieren. Die Kompetenzen des Lehrplans 21 gelten – im Unter-
Schweiz einem Flickenteppich. Die Regelungen sind kan- schied zu einer religïsen Unterweisung – f̈r alle Scḧlerinnen
tonal so unterschiedlich, dass es schwer f̈llt, die ̈bersicht
und Scḧler, ungeachtet ihrer religïsen Zugeḧrigkeit, und be-
zu wahren. Nicht zuf̈llig hat deshalb der Plan d’Etudes Romand ziehen sich auf den bekenntnisunabḧngigen Schulunterricht im
(PER) Religion als «sṕcifit́ cantonale» bezeichnet. Die Ver- Klassenverband.
ḧltnisse im traditionell katholischen Wallis sind nicht dieselben
wie in der protestantisch gepr̈gten Waadt und schon gar nicht Religionen und Weltsichten begegnen
wie in Genf und Neuenburg, wo Kirche und Staat konsequent Bei der Ausarbeitung der Kompetenzen und Kompetenzbe-
getrennt sind. ̈hnlich ist es in der deutschsprachigen Schweiz, reiche im Lehrplan 21 wurde auf eine sorgsame Unterscheidung
wo allerdings in den letzten Jahren einiges in Bewegung ge- der Bereiche Ethik, Religionen, Gemeinschaft/Lebenskunde ge-
kommen ist. Die Zentralschweizer Kantone haben ein Schulfach achtet. Bildungsgegenstand sind Religionen als Perspektive der
Ethik und Religionen eingef̈hrt. Nur der Kanton Schwyz ver- kulturellen ̈berlieferung und des gesellschaftlichen Diskurses.
zichtet auf dieses Fach und ̈berl̈sst das Thema ganz den Kir- Kompetenz im Umgang mit religïsen Fragen und Traditionen
chen. Im Kanton St. Gallen wird der Religionsunterricht ebenfalls tr̈gt zur Religionsfreiheit bei. Bildung schliesst einen versẗnd-
an die Kirchen delegiert, allerdings in ̈kumenischer Ausrichtung nisvollen Umgang mit religïsen Vorstellungen und Traditionen
und schulisch verankert. Der Kanton Bern integriert auf Religion ein, gerade auch wo man sie f̈r sich selber als nicht bedeutsam
bezogene Themenfelder in Mensch-Natur-Mitwelt. Graub̈nden betrachtet. Im Unterricht steht nicht die eigene Weltanschauung
hat den Religionsunterricht mit separatem Ethik-Unterricht er- und ̈berzeugung im Fokus, vielmehr Versẗndnis und Respekt
g̈nzt. Im Kanton Z̈rich haben Kantonsrat und Bildungsrat ein gegen̈ber anderen. Grundkenntnisse religïser Traditionen sol-
eigensẗndiges Fach Religion und Kultur in Verantwortung der len dazu beitragen, Kultur und Gesellschaft zu verstehen sowie
Schule beschlossen, welches f̈r alle Scḧlerinnen und Scḧ- Menschen mit unterschiedlicher religïser Zugeḧrigkeit und
ler obligatorisch ist. Der zunehmende Anteil von Scḧlerinnen Herkunft zu respektieren.
und Scḧlern ohne religïse Zugeḧrigkeit stellt die berechtigte
Frage, welchen Platz Religion in der Volksschule ̈berhaupt Der Kompetenzbereich «Religionen und Weltsichten begegnen»
haben soll.
wird ̈ber die verschiedenen Schulstufen hinweg erweitert und
fortgef̈hrt. Im Alltag, in kulturellen Spuren und im gesellschaft-
Religionen als Bildungsgegenstand
lichen Leben sollen die Scḧlerinnen und Scḧler religïse Tra-
In den Vorgaben zum Deutschschweizer Lehrplan (Grundlagen- ditionen und Vorstellungen identifizieren k̈nnen. Geschichten,
bericht) ist das Thema Religion explizit erẅhnt und im Fach- Lehren, Riten und Br̈uche sind in ihren Kontexten interessant.
bereich «Ethik, Religionen, Gemeinschaft (mit Lebenskunde)» Heranwachsende sollen etwas ̈ber Feiertage wissen, die im
innerhalb von Natur-Mensch-Gesellschaft aufgenommen. Im Kalender vorkommen, die f̈r Menschen in der Umgebung be-
Lehrplan ist ausdr̈cklich vermerkt, dass der konfessionelle Reli- deutsam sind. Sich in der Vielfalt religïser Traditionen und Welt-
gionsunterricht «in der Regel Sache der Kirchen und Glaubens- anschauungen orientieren und verschiedene ̈berzeugungen
gemeinschaften in den Kantonen» und «nicht Gegenstand des respektieren zu k̈nnen, ist die leitende Kompetenz. Kinder und
Lehrplans 21» sei. Der Lehrplan 21 greift Religion vielmehr im Jugendliche sollen sich in der Gesellschaft mit ihren Traditionen
Rahmen der Allgemeinbildung auf. Kenntnisse der Religionen sicher und selbstbewusst bewegen. Es geht darum, den eigenen
(im Plural) sind fachlicher Bestandteil des Lehrplans im Bil- Horizont zu erweitern und sich der eigenen Lebenswelt bewusst
dungsbereich der «Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften». zu werden, um mit Menschen verschiedener Religionen und Kul-
Religion und Religionen sind Themen der Gesellschaft und des-
turen versẗndnisvoll zusammenzuleben.