Page 45 - Schulblatt Thurgau 04 2014
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Schulblatt Thurgau 4 • August 2014 RUND UM DIE SCHULE 45













In der Schweiz blieb

der Schuljahresbeginn lange 

uneinheitlich und wurde 

wohl durch die kulturellen 


Einfl̈sse der Nachbar- 

l̈nder bestimmt.







Ein anderer Leserbrief anerkannte gewisse Vorteile f̈r mobile 19’636 Ja und 35’275 Nein klar ab. Alle Kantone mit Herbst- 
Familien, da es sich aber um eine Minderheit handle, m̈sse schulbeginn nahmen die Vorlage mit Ja-Anteilen von 80,5 Pro- 

man nicht eine teure Vereinheitlichung des Schuljahresbeginns zent bis 93,1 Prozent sehr deutlich an. Die «Fr̈hlingsbeginner» 
zentralistisch verordnen. Die Umstellung ẅrde f̈r die Deutsch- dagegen spalteten sich in zwei Gruppen: Z̈rich, Bern, Glarus, 

schweizer Kantone CHF 250 Mio. kosten.6 Der Gewerbever- Schaffhausen, beide Appenzell, Aargau und Thurgau wollten 
band argumentierte in finanzieller Hinsicht gleich und zitierte den beim Fr̈hlingsbeginn bleiben; ẅhrend beide Basel, Schwyz, 
Kanton Luzern, der habe f̈r die Verlegung CHF 15 Mio. aufwen- Solothurn und St. Gallen sich f̈r eine zentralistische Einheits- 

den m̈ssen 7, aber f̈r z̈gelnde Familien sei es ein Vorteil, denn l̈sung entschieden. Zur bef̈rchteten Konfrontation zwischen 
die Kinder k̈nnten sich ein halbes Jahr an die neue Sprache deutscher und lateinischer Schweiz, zwischen grossen und klei- 

geẅhnen. Das ablehnende Aktionskomitee bef̈rchtete, nen Kantonen kam es also nicht. Die «Neue Z̈rcher Zeitung» 
dass mit der Vereinheitlichung die traditionelle und beẅhrte vermutete in ihrem Kommentar, «dass viele Stimmb̈rger den 

Schulhoheit der Kantone geschm̈lert werde.8 Ein wiederholt Koordinationsrummel um die Schule satt haben oder aber den 
vorgebrachtes Argument war auch, dass der «Bundesvogt» zu- Versicherungen der Schulleute Glauben schenken, nach der 
nehmend eingreife und die Kantone so zu verschiedenen Re- Vereinheitlichung des Schuljahrbeginns werde die Angleichung 

formen zwingen werde. 9
der Schulsysteme rasche Fortschritte machen.»


Eine Untersẗtzungsgruppe vertrat in einem Leserbrief die Mei- Der Wechsel vom Fr̈hlings- zum Herbstbeginn wurde im Lang- 
nung, ein vereinheitlichter Schulbeginn schaffe keine un̈ber- schuljahr 1988/89 vollzogen, das vom Fr̈hling 1988 bis zu den 

windbaren Probleme. P̈dagogisch betrachtet k̈nne man im Sommerferien 1989 dauerte. Die mit dem zus̈tzlichen Quartal 
Fr̈hjahr und im Herbst gleichermassen Schule halten, profitie- gewonnene Zeit wurde von den Schulen f̈r Projekte aller Art, 
ren ẅrden die Kinder, die den Kanton wechselten, insbeson- Exkursionen, Klassenverlegungen und Fortbildungskurse f̈r die 

dere in zweisprachigen Kantonen. Eine Vereinheitlichung ẅrde Lehrpersonen genutzt. All jenen, die damals immer wieder Auf- 
̈berdies nicht gegen den F̈deralismus sprechen.10 Die Argu- geschobenes und auch viel Neues erleben und erfahren durften, 

mente f̈r die Vereinheitlichung und zugunsten der Kantons- ist das Langschuljahr trotz gr̈sserem Aufwand in bester Erin- 
wechsler f̈hrte zuweilen zu spitzen Bemerkungen: «Nichts ist nerung geblieben.

aufeinander abgestimmt, alles l̈uft quer und die massenhaften 
Zuz̈ger aus Kantonen mit Sp̈tsommerschulbeginn m̈ssen 
in einer Art Akklimatisationslager an die rauhen und unfreund- 

LITERATUR
lichen Zusẗnde in unseren koordinationsfeindlichen Gefilden 
geẅhnt werden.»11 Ein Beitrag in der Bischofszeller Zeitung 

1 Erl̈uterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung meinte unter dem Titel «Den benachteiligten Scḧlern zuliebe»: 
vom 22. September 1985, S. 5
«Ist die Vereinheitlichung wirklich n̈tig? Die Antwort lautet: So- 
2 Vgl. ebd.
lange Scḧler und Lehrlinge durch den heutigen «Salat» [.]»12 
3 R. B-K. Thurgauer Volkszeitung, 17.09.1985, S. 5
Nachteile erleiden, solange sollte man ̈ber die Koordination 
4 Vgl. ebd.
diskutieren.
5 Vgl. ebd.

6 A. E. Thurgauer Volkszeitung, 18.09.1985, S. 6
Ein unerwartet klarer Entscheid
7 Vgl. Gewerbeverband, Thurgauer Volkszeitung, 3.09.1985, S. 4
8 U. M. NZZ 6. 09.1985, S. 33
In der Abstimmung vom 22. September 1985 entschied sich 
E. A. K. NZZ 19.09.1985, S. 33
das Schweizervolk bei einer Stimmbeteiligung von 40,5 Prozent 
9 mit 984’822 Ja zu 687’974 Nein (Ja-Anteil 58,9 Prozent) und 
10 Vgl. Gruppeninserat Thurgauer Volkszeitung 18.09.1985, S. 6
11 H. A. Thurgauer Volkszeitung, 17.09.1985, S. 4
14 4/2 zu 6 2/2 Standesstimmen f̈r eine Vereinheitlichung mit 
12 W. H. Bischofszeller Zeitung, 16.09.1985, S. 1
Sp̈tsommerschulbeginn. Der Thurgau allerdings lehnte mit nur





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