Page 44 - Schulblatt Thurgau 04 2014
P. 44
44 RUND UM DIE SCHULE
Schulblatt Thurgau 4 • August 2014
SH
BS
TG
BL AG
JU
ZH
AR
SO
AI
SG
FL
ZG
SZ
LU
NE
GL
NW
BE
OW
UR
GR
VD
FR
TI
GE
VS
Schuljahresbeginn Schuljahresbeginn Schuljahresbeginn
im Sp̈tsommer
im Sp̈tsommer im Fr̈hling
beschlossen, aber
noch nicht eingef̈hrt
Situation vor der Abstimmung von 1985
Abbildung gem̈ss Erl̈uterungen des Bundesrates zur Volksabstimmung vom 22. September 1985, Seite 4
Politische und P̈dagogische Positionen
Erwartungsgem̈ss wurde die Vorlage lebhaft und kontrovers bung des Schulbeginns auf den Herbst fordern, sondern dass
diskutiert. Im Folgenden wird das Stimmungsbild skizziert, wie es es allein «bildungspolitische», sprich b̈rokratische sind, denen
sich in Leserbriefen oder Zeitungsartikeln zeigte. Die Debatten wir uns zu unterwerfen haben.»3 Die Schule sei den Kindern
verdichteten sich vornehmlich auf bildungspolitische, nationale verpflichtet und nicht dem «zentralistisch verordneten Erzie-
und internationale sowie in seltenen F̈llen auf p̈dagogische hungswesen (sprich Entzugswesen)». Die Vereinheitlichung
Argumente. Der Bundesrat war der Meinung, dass aus p̈dago- des Schulbeginns diene lediglich der Machtkonzentration, der
gischen Gr̈nden sowohl das Fr̈hjahr als auch der Sp̈tsommer Nationalisierung und Internationalisierung. Diese Gleichg̈ltig-
als Schulbeginn geeignet seien. Der Fr̈hling eigne sich beson- keit gegen̈ber dem Zeitpunkt des Schuljahresbeginns sei ein
ders gut, weil «[.] mit dem Wiedererwachen der Natur [.]» 1 der Zeichen daf̈r, wie weit wir uns vom «Naturzusammenhang» ent-
Schuleintritt Hand in Hand vonstatten gehe und f̈r den Sp̈tsom- fernt ḧtten. Wer glaube, der Jahreskreislauf gelte nur f̈r die
mer spreche, da die Kinder nach den langen Sommerferien er- Bauern und nicht auch f̈r die Menschen und die Kinder, «zeugt
holt seien. Zudem ẅrden die welschen Kantone, das Tessin und von einer technokratischen Weltauffassung, deren bildungspoli-
die Innerschweiz im Sp̈tsommer beginnen. 2 In einem Leserbrief tische Ziel letztlich in der Heranz̈chtung manipulierbarer Intel-
in der Thurgauer Volkszeitung vom 17. September 1985 wurden ligenzmassen zu suchen ist.» – «Typisch hierf̈r ist der Herbst
sowohl p̈dagogische sowie bildungspolitische Erẅgungen [.]»4 Im Herbst werde die «Intelligenz leichter gef̈rdert und
gegen einen Sp̈tsommerschulbeginn vorgebracht. Nach dem zugleich die Vereinsamung (Egoiẗt) der Scḧler vorangetrie-
Statement des Erziehungsdirektors, wonach politische sowie ben»5. Im Fr̈hjahr hingegen ẅrden das Sozialverhalten und
administrative Gr̈nde f̈r eine Vereinheitlichung spr̈chen, titel- die Gruppendynamik f̈r das Gedeihen im neuen Klassenver-
te ein Leserbrief: «Opfert unsere Kinder dem B̈rokratismus [.] band gesẗrkt. Vereinzelt war damals von «Krokus-‚ Primeli- oder
so spricht im Klartext unser Erziehungsdirektor, wenn er betont, Bl̈emlip̈dagogik» die Rede, wenn das Erwachen der Natur zur
dass es keinerlei p̈dagogische Gr̈nde gibt, die eine Verschie-
Begr̈ndung des Fr̈hjahresbeginns beigezogen wurde.