Page 8 - Schulblatt Thurgau Juni 2015
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8 F O K U S Schulblatt Thurgau 3 • Juni 2015
GESPRÄCH
Auch Sprache ist eine Art Abmachung
Ist eine Aufgabe in Mathematik leichter zu korrigie- ren als eine in Französisch?
Urs Zuppinger
Die Mathematikerin und Fremdsprachen-Lehrerin Claudia Hirt aus Steckborn versucht auf der Sekun- darstufe in beiden Fachbereichen, den Fehlern mit
ähnlichen Methoden auf die Schliche zu kommen.
Welche Erwartungen hast du an die Fremdsprachen- kenntnisse der ehemaligen Primarschüler/-innen? Claudia Hirt: Tatsächlich habe ich ein Wunschdenken. Es wäre schön, wenn ... Das deckt sich aber nicht ganz mit dem, was Sache ist. Schön wäre, wenn bereits etwas mehr Genauigkeit vor- handen wäre...Ich bin da eher alte Schule und finde es sinnvoll, wenn ein gewisser Grundwortschatz bereits in der Primarschule, also in den Anfängen, richtig geschrieben wird oder Verben kor- rekt gelernt werden. Dies würde den Übertritt in die Sekundar- stufe für einige Jugendliche sicherlich einfacher gestalten.
Du weisst aber, dass in der Primarschule einzig der kommunikative Ansatz gilt?
Das ist mir völlig klar. Und bis zu einem gewissen Grad kann ich diese Philosophie auch nachvollziehen. Denn, was nützt einem die ganze Grammatik, wenn man in den Ferien nicht mal einen Orangensaft auf Französisch aus Angst vor dem Fehler-
machen bestellen kann. Dennoch, über Jahre eingeschliffene Fehler bringt man oft kaum mehr weg oder eben nur mit viel Aufwand. Zudem stelle ich fest, dass die meisten Jugendlichen es ja richtig machen wollen. Ich spüre immer wieder eine Resis- tenz dem neu erarbeiteten Stoff (Grammatik) gegenüber, vor allem bei den Englisch-Schülern. Sie übernehmen das Gelernte nicht so leicht. Sie müssen verstehen lernen, dass Grammatik angewendet werden soll, um sich in der Fremdsprache weiter- zuentwickeln und Fortschritte zu machen. Dabei geht es ja nicht nur um einen Hang zum Perfektionismus.
Falsch angewendete Zeitformen oder eine unklare Aussprache können ganz einfach zu Missverständnissen führen. Ich weiss von einigen Primarlehrpersonen, die ihre Schülerinnen und Schüler auf diese Genauigkeit vorbereiten und sie bereits trai- nieren – Kommunikativer Ansatz hin oder her.
An der Primarschule wird auch auf die Genauigkeit geachtet! Was gefällt dir, wenn die Neuen kommen? Die Vorstellungsrunde in der ersten Lektion ist eine Freude, und das in beiden Fremdsprachen und selbst in den G-Niveaus. Alle Jugendlichen trauen sich, ein paar Sätzchen zu sprechen und sich kurz vorzustellen.
Hilfestellungen hierzu finden sie an der Wandtafel und so klappt das wunderbar. Im letzten Sommer habe ich zum ersten Mal eine Klasse übernommen, die bereits Englisch hatte. Es ist schon eindrücklich, wie die 1. Sekler bereits drauflos plaudern und viel verstehen.
Wie orientierst du dich am Wissensstand?
Im mündlichen Unterricht erkenne ich rasch, wo jemand steht. Aber Achtung: Schweigen bedeutet nicht zwingend «nicht kön- nen» ... Da stellt sich mir auch immer wieder die Frage nach der fairen Benotung: Wie bewerte ich ein Mädchen, das fleissig aufstreckt und intensiv mitarbeitet, aber halt viele Fehler macht im Vergleich zu jenem, das sich nach langer Überlegung zu einem kurzen korrekten Satz durchringt? Wer bringt nun die bessere Leistung?