Page 6 - Schulblatt Thurgau Juni 2015
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6 F O K U S Schulblatt Thurgau 3 • Juni 2015
CE: Da bin ich auch von Anfang an pingelig. Da besteht na- türlich ein Unterschied zwischen dem Abgelesenen und dem spontan Gesprochenen! Bei Wortbildern dürfen wir die Kinder nicht allein lassen.
LW: Deshalb bin ich dagegen, dass wir das Schriftliche zu früh so forcieren. Kinder sollten auch nicht zu früh laut vorlesen. Das ist die grosse Chance von Englisch in der Primarschule: Der leichtere Zugang zum Lautsystem. Hat die Lehrperson eine gute Aussprache, haben auch die Kinder eine gute Aussprache.
SP: Manchmal lasst ihr die Kinder also einfach sprechen, manchmal wird nicht korrigiert ... Wo liegt da der Entscheid?
LW: Ich will ja den Redefluss nicht hemmen. Dann wiederhole ich vielleicht einfach den Satz korrekt. Sagt einer auf die Frage, wo jemand ist: «He comes», sage ich: «Ah, he’s coming». Das habe ich Jahre lang so gemacht. Dann sagten die Sechstkläss- ler plötzlich auch «He’s coming». In einer reinen Übungsphase interveniere ich dagegen mehr. Häufige Fehler sammle ich und übe die Form intensiv. Wird etwas später wieder falsch gesagt, sollen sich die Kinder auch gegenseitig korrigieren. Persönlich frage ich mich aber oft, ob ich nicht zu viel eingreife.
AK: Erstaunlich, wie sich Dinge dann bis in die 6. Klasse zurecht- rücken, geradezu selbstverständlich werden. Ohne penetrant darauf herumzuhacken.
CE: Ich schaue immer auch darauf, dass Schüler nicht exponiert werden. Es braucht schon ein gewisses Feeling beim Korrigie- ren. Es sind ja oft dieselben, die stolpern – die will ich nicht entmutigen.
LW: Genau! Wir sind ja nicht so sicher, inwiefern frühes Fremd- sprachenlernen im schulischen Kontext generell zu besseren Sprachfertigkeiten führt. Aber wir kennen einige Vorteile, zum Beispiel die unglaubliche Motivation der Kinder. Die müssen wir aufrechterhalten. Wenn ich aus der Sekundarschule höre, die Schülerinnen und Schüler seien motiviert, ist das ein grosses Kompliment an die Primarlehrpersonen.
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CE: Grundsätzlich unterstützen uns da die Lehrmittel schon.
SP: Ich höre oft: Die können ja gar nicht schreiben...
AK: Die Seklehrer haben keinen Schimmer, wo die Sechst- klässler beim Übertritt stehen. Die haben ein neues Lehrmittel und legen damit los. Eigentlich ist es doch eine Repetition des Stoffes auf einem höheren Niveau.
LW: Bei der Grammatik sollen sie tatsächlich bei Null anfangen. Das sage ich den Sekundarlehrpersonen in meinen Kursen. In der Primarschule lernen die Kinder vieles über Gehör und Rituale. Es ist schulisches Fremdsprachenlernen, aber vieles nehmen sie nebenbei auf. Sie picken Satzstrukturen auf, ohne die Form be- wusst zu kennen. Damit dieses informelle Lernen sitzen könnte, wären mehr Lektionen nötig.
AK: Englisch in der dritten Klasse finde ich recht früh. Viele haben genug Schwierigkeiten mit Deutsch. So hervorragend ich mehr Englisch fände, der Alltag ist in Deutsch – wo wenden wir also Englisch an? Die an sich so geeigneten Anwendungsaufga- ben ausserhalb des regulären Unterrichtes fallen da weg.
LW: Ich plädiere nicht für höhere Lernziele, aber die Kinder müssten der Fremdsprache mehr ausgesetzt sein. Ich glaube nicht, dass Englisch meinen Schülerinnen und Schülern mit Mi- grationshintergrund zusätzliche Schwierigkeiten bereitet. Die sind so vif!
CE: Sie können eben auch von Grund auf anfangen und brauchen nicht übers Deutsch einzusteigen. Sie haben gleiche Voraus- setzungen. Fremdsprachige Kinder lernen ganz sicher nicht schlechter.
SP: Was gebt ihr an der PHTG den Studierenden für Feedback-Richtlinien? Worauf sollen sie Wert legen?
LW: Im Grunde genommen das, was ich schon gesagt habe: Kommunikative Kompetenzen fördern, Sprechanlässe schaf- fen, Fehler zulassen und produktiv nutzen, Motivation aufrecht- erhalten ...