Page 16 - Schulblatt Thurgau Juni 2015
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16 F O K U S Schulblatt Thurgau 3 • Juni 2015
THEMA
Feedbacks von Lernenden
Feedbacks der Lernenden und Kollegen sind unverzichtbare Elemente jeglicher individuellen, beruflichen und institutionellen Weiterentwicklung.
Peter Strahm, Dozent/Supervisor BSO
EINE (LEIDER WAHRE) EINSTIEGSGESCHICHTE
Lehrer Franz unterrichtet seit vierzig Jahren an einer Sekundarstufe. Die vielen Reformen, die aufmüpfigen Schüler und die kritischen El- tern machen ihm zu schaffen. Der Unterricht erscheint ihm immer mehr als lästige Pflicht- erfüllung. Das Fass zum Überlaufen bringt die Forderung der Schulleitung, von Lernenden und Eltern ein schriftliches Feedback einzuholen. Im Kollegium hat er bisher stets die Meinung ver- treten, Rückmeldungen zum Unterricht seien eh
« nur eine lästige Alibiübung und er wisse schon, wie sein Unterricht einzuschätzen sei.
Das Einholen von Feedback ist ein zentrales Prinzip jeder Art von professionellem Training und Unterricht. Der Einsatz dieses Verfahrens ist ein unabdingbarer
Teil der Lehrerprofessionalität.» Andreas Helmke
Wozu Feedback?
Als Projektleiter von über hundert mehrjährigen Qualitätsentwick- lungsprojekten in Schulen aus der Schweiz und in Deutschland habe ich von Lehrpersonen und Schulleitungen systematisch Rückmeldungen zum Nutzen und zu Wirkungen von individuellem und institutionellem Feedback eingeholt. Zusätzlich konnte ich als Mitglied eines Forschungsteams die längerfristigen Wirkungen
Seine Schülerinnen und Schüler samt Eltern stellen Lehrer Franz kein gutes Urteil aus. Einige Rückmeldungen sind unter der Gürtellinie und verletzend. Das Feedbackvorhaben verkommt schliesslich zu einer allgemeinen Abrechnung mit einem unbeliebten Lehrer. Dieser wird aus der Bahn geworfen und geht nach längerer Krankheit verbittert in seine Frühpensionierung.
des kollegialen Feedbacks untersuchen. 1 Die Rückmeldungen haben klar ergeben, dass regelmässiges Feedback jeder ein- zelnen Lehrperson und Feedback auf Ebene der Gesamtschule grossen Einfluss auf erfolgreiches Lehren und Lernen, auf die Befindlichkeiten der Lehrpersonen und Lernenden und eine gute Schulkultur haben. Über 80 Prozent der Lehrpersonen haben entschieden die Meinung vertreten, dass vor allem Feedback der Lernenden und kollegiales Feedback unverzichtbare Elemente jeglicher individuellen, beruflichen und institutionellen Weiterent- wicklung sind. Wenn ein Feedback regelmässig, strukturiert und verbindlich durchgeführt wird, haben die befragten Lehrpersonen folgende Wirkungen beschrieben:
Bestärkung der Lehrperson «Durch die Feed- backs habe ich
in meinen Inter- ventionen mehr Sicherheit und Ent- schiedenheit in der Führung einer an- spruchsvollen Klasse bekommen.»
Entwicklung
einer reflexiven Berufspraxis «Durch regelmässige Feedbacks konnte ich eine forschende Haltung entwickeln und neue Handlungsweisen ausprobieren.»
Entwicklung
von Offenheit und Sensibilität «Durch die Feedbacks bin ich offener geworden und kann klarer kommunizieren.»
Befähigung, die Unterrichtspraxis zu verändern
«Die regelmässigen Feedbacks der Lernenden haben mich motiviert, meine Unterrichtspraxis den Schülerinnen und Schülern indivi- duell anzupassen.»
Beitrag zur Gesund- erhaltung und Ar- beitszufriedenheit «Positive Feed- backs geben mir
die Motivation, noch weiterzuarbeiten. Die Anerkennung trägt zur Gelassenheit
bei, das ist vielleicht sogar noch wichtiger als der Lohn.»
Bestätigung der Selbstwirksam- keitsüberzeugung «Die regelmässigen Feedbacks bestätigen mich,
auf dem richtigen Weg zu sein.»


































































































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