Page 53 - Schulblatt Thurgau 02 2014
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Schulblatt Thurgau 2 • April 2014 RUND UM DIE SCHULE 49








GESCHICHTE – GESCHICHTEN



Schulevaluation



ist keine Erfindung 


unserer Tage






Evaluationen dienen der Beurteilung von Qualiẗt. gen. Hernach der kleine und grosse Catechissmus aufgesagt, 

Die Erfassung von Schul- und Unterrichtsqualiẗt eine probe im buchstabieren, lesen und singen gemacht, und 
dann der actus mit einem zuspruch an die kinder beschlossen». 
scheidet die Geister in alle Richtungen. Mit der Ein- Hier wie auch anderswo nahmen «Stillsẗnder» (= Kirchenvor- 

f̈hrung eines nationalen Bildungsmonitorings wird steher) am Examen teil und «trachten durch gute anmerkung so 
wohl das lehrnen als die sitten der kinderen betreffend n̈zlich 
verschiedentlich kritisiert, dass damit «eine noch nie 
zu seyn.» 3
dagewesene Neuerung und Kontrolle» eingef̈hrt 

werde – das ist ein Irrtum.
Examinierung der Eltern
Das «Osterexamen» oder die sogenannte «Gehorsame» 4 pr̈fte 
nicht nur die Scḧler und Lehrer, sondern auch die Eltern. So 
Prof. Dr. Damian Miller, Dozent PHTG & Dr. Hans Weber, 
Leiter Schulmuseum M̈hlebach
fanden sich in Altnau ein «der Hausvater oder die Hausmutter


I
Schmackhafte Entscḧdigung nach einem faden Examen: der Weggen!
Bild: zVg

m Zentrum aller evaluativen Verfahren steht die Qualiẗt 
eines «Was-auch-immer». Das ist keine Neuerfindung des 
New Public Managements. Schon in der Kirchenschule des

18. Jahrhunderts gab es Evaluation; allerdings in unterschied- 
licher Form und Intensiẗt. Zusẗndig war der Pfarrer, der auch 

die Schulen zu beaufsichtigen hatte. Sehr ernst nahm der Pfar- 
rer von Wigoltingen diese Aufgabe, der die Dorfschule ẅchent- 

lich besuchte, die f̈nf andern in seiner Gemeinde pro Winter 
zwei- bis dreimal. Der Besuch erfolgte unangemeldet, «so dass 
weder schulmeister noch kinder wissen wann ich komme, mithin 

der schulmeister alle tage mit gleichem fleiss der schule warten 
muss, und die nachl̈ssigen kinder, mit der drohung der pfarrer 

komt villeicht hëte sehr geschikt zum fleiss anhalten kann». 
̈ber die Art der Evaluation schrieb er: «Jede schrift wird von 

mir untersucht in ansehung orthographie & calligraphie auch 
jedem scḧler nach seiner mehr oder minder fleissig gemachten 
schrift, sein plaz (= Zuteilung in eine Lerngruppe) f̈r die selbe 

Woche angewiesen, alle kinder werden von mir examinirt nach 
verdienst gelobt oder getadelt, bei jedem angezeichnet wie weit 

es im buchstabiren, lesen etc. gekommen; und sowohl lehrer 
als lehrnlinge sind willig dieses oder jenes das ich ahnde zu 

verbessern.»1 In fast allen Orten fand einmal im Jahr ein Exa- 
men statt – meistens am Ende der Winterschule. Diese dauerten 
meist einen halben Tag. So heisst es etwa f̈r Wellhausen: «Der 

anfang desselben wird gemacht mit geb̈tt, darauf werden die 
schrifften die zur prob da liegen, besichtiget. Die Kinder werden 

examiniert im buchstabieren, lesen und in allem was sie aus- 
wendig gelehrnt, es wird mit einer vermahnung an die kinder be- 
schlossen.» ̈hnlich in Sirnach, wo das Examen einmal pro Jahr 
2 
kurz vor Schulende stattfand und zwei bis drei Stunden dauerte: 
«Wird mit geẅhnlichem schulgeb̈tt vom schulmeister angefan-





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