Page 16 - Schulblatt Thurgau 02 2014
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16 F O K U S Schulblatt Thurgau 2 • April 2014
Was auf jeden Fall zu beachten ist: Ein Fragebogen ist grund-
s̈tzlich ein anonymes Instrument. Die Anonymiẗt muss un-
bedingt gewahrt sein. Es ist beispielsweise unsinnig, wenn
Lehrpersonen es freistellen, ob man den Namen auf den
Evaluationsbogen schreiben m̈chte. Dann ist die Anonymi-
ẗt im Erleben der Scḧler in jedem Fall im Eimer.
Wie schauen die Schritte nach einer Evaluation
aus? Wie kann man vermeiden, dass die Evalua-
tion wirkungslos verpufft?
Zun̈chst einmal: Evaluationen sollten nicht nur Schwach- HINTERGRUND
stellen aufdecken, sondern auch Sẗrken benennen. Kom-
men nur negative Daten zur̈ck, ist das meist nicht sehr
motivierend und aufbauend. So sollte bereits bei der Erstel- Unterrichtsdiagnostik
lung eines Fragebogens auch gefragt werden: Sind auch
positive Antworten zu erwarten? Zeigen sich durch die Fra-
gen auch unsere Sẗrken? Wichtig ist immer, was durch die mit EMU
Daten in der Schule ausgel̈st wird – schliesslich sind die
Daten auf dem Papier einzig ein Vehikel dazu!
Was erst noch ein geneigtes Ohr finden muss!
«Der wichtigste Aspekt besteht darin, im Klassen-
Entscheidend ist: Wie werden die Ergebnisse kommuni-
ziert? Und wem werden sie kommuniziert? In diesem Punkt zimmer Situationen zu schaffen, in denen die Lehr-
ist die Schulleitung gefordert – insbesondere wenn nega-
personen mehr Feedback ̈ber ihren Unterrichtsstil
tive Ergebnisse auf den Tisch kommen. Sagt sie: Wir neh- erhalten k̈nnen.» (Hattie, 2013, S. 15)
men das ernst und suchen nach den Gr̈nden respektive
Hintergr̈nden. Oder bescḧnigt sie die Ergebnisse? Oder
taucht sie gar emotional ab? Da steht eine anspruchsvolle Prof. Dr. Andreas Helmke & Dr. Tuyet Helmke
F̈hrungsaufgabe an: einerseits kritische Ergebnisse ernst
nehmen – nicht scḧn reden, andererseits eine sachliche
Analyse vornehmen und gegen̈ber den betroffenen Lehr- A
personen Zuversicht und Ermutigung f̈r Verbesserungs- usgehend von der Erkenntnis, dass eine systemati-
schritte hin̈berbringen.
sche Entwicklung der Qualiẗt des Lehrens und Ler-
nens einer Grundlage in Gestalt einer evidenzbasierten
. und die entsprechenden Meilensteine setzen!
Bestandesaufnahme auf einer wissenschaftlichen Grundlage
Richtig. Dann geht’s darum, die richtigen Massnahmen fest- bedarf, haben wir (Helmke et al., 2010) f̈r die Sicherung der
zulegen, die wirksam und f̈r die Schule auch machbar sind. Unterrichtsqualiẗt als dem unbestrittenen Kerngescḧft der
Hier stellen wir fest, dass sich die Schulen oft ̈bernehmen, Schule im Auftrag der Deutschen Kultusministerkonferenz ein
weil sie die Vielschichtigkeit der Entwicklungsmassnahmen Diagnosewerkzeug f̈r die Praxis entwickelt. Es handelt sich um
zu wenig einscḧtzen. Hier empfehlen wir, zun̈chst eine das Projekt «Evidenzbasierte Methoden der Unterrichtsdiagnos-
einfache Komplexiẗtsanalyse vorzunehmen: Wie komplex tik und -entwicklung», besser bekannt und leichter zu merken
ist das, was wir uns vornehmen? Aus welchen Schritten unter dem Akronym EMU.
besteht das angedachte Vorhaben? Was brocken wir uns
damit ein? Wenn die Umsetzung abgebrochen wird, weil sie EMU verfolgt verschiedene Ziele:
die Beteiligten ̈berfordert, ist letztlich niemandem gehol- • Sichtbarmachung des Lehrens und Lernens durch
fen. Und die Evaluation verf̈llt dem Verdikt der Wirkungs- Feedback und Perspektivenabgleich
losigkeit, obwohl sie mit bestem Wissen und Gewissen • Datenbasierter kollegialer Austausch ̈ber Unterricht
angegangen wurde.
im bewertungsfreien Raum und Vereinbarung von
Massnahmen zur Weiterentwicklung des Unterrichts
Herr Landwehr, ich danke Ihnen bestens
• Erweiterung des eigenen Handlungsrepertoires
f̈r dieses Gespr̈ch!
durch kriteriengeleitete Beobachtung
• Bewusstmachung eigener subjektiver Theorien des
Lehrens und Lernens
• Sensibilisierung f̈r die Vielfalt von Lernvoraussetzungen
INFORMATION
innerhalb der Klasse
• Versẗndigung ̈ber ein gemeinsames Bild von Unterricht
Publikationsliste von Prof. Dr. Norbert Landwehr:
im Team oder Kollegium
www.schulblatt.tg.ch > Magazin > April 2014
• Schulentwicklung durch «̈ffnung der Klassenzimmer-
ẗren» und Austausch ̈ber Unterricht