Page 14 - Schulblatt Thurgau 02 2014
P. 14


14 F O K U S Schulblatt Thurgau 2 • April 2014








Weshalb braucht es eine Selbstevaluation?
Sie ist ein ausgezeichnetes Instrument, um zur Erkenntnis zu ge- 

langen, was an der eigenen Schule oder im eigenen Unterricht 
gut und was nicht so gut l̈uft; je nach Anlage gibt mir die Evalua- 
tion sogar Antwort zu den Gr̈nden; das ist wichtig als Erkennt- 

nisgewinn, f̈hrt aber auch nahtlos zu Impulsen f̈r die Weiter- 
entwicklung und Qualiẗtsverbesserung. Die Schule erkennt 

dabei durchaus auch ihre Sẗrken, also das, was sie bewusst zu 
ihrem Profil machen kann. Und naẗrlich auch ihre Schwachstel- 
len: Da gibt’s was zu tun! Es sind Gelegenheiten f̈r die Lehrper- 

son, die eigene Praxis zu hinterfragen und zu verbessern.


Dazu schlagen Sie zwei Wege vor.
Wir unterscheiden zwischen Feedback und Evaluation – und 

zwar, weil wir merkten, dass es verschiedene Geltungsanspr̈che 
an R̈ckmeldungen aus der Praxis gibt. Zum einen solche, die 
durchaus subjektiv und pers̈nlich sein d̈rfen. Den Feedback- 

Begriff verwenden wir f̈r jene, bei denen ich dazu stehe, dass 
sie pers̈nliche Wertungen – also subjektive Anteile – enthalten. 

Andererseits ist es mir als Lehrperson – beispielsweise anl̈ss- 
lich einer kollegialen Hospitation – auch freigestellt zu sagen: 

Das leuchtet mir ein, das nehme ich an oder vergesse es wieder. 
In diesem Sinne sprechen wir dann von der doppelten Subjek- mir fremden Lehrperson austauschen. Wir haben festgestellt, 
tiviẗt: Auf der einen Seite ist das Feedback subjektiv gepr̈gt – dass es hier wichtig ist, zwei Formen der Unterrichtsbeobach- 

und auf der anderen ist es mir auch freigestellt, selektiv das tung zu unterscheiden; eine offene und eine kriteriengeleitete 
anzunehmen, was mir pers̈nlich davon einleuchtet. Andere Variante. Beim kollegialen Feedback kann ich Beobachtungs- 

R̈ckmeldungen haben einen ḧheren Verbindlichkeitsanspruch, kriterien vereinbaren – das nimmt dann der Situation etwas von 
zum Beispiel wenn die Schulleitung eine Lehrperson beurteilt. der Bedrohlichkeit weg; ich weiss, zu was ich Einscḧtzungen 

Hier gibt es einen ḧheren Objektiviẗtsanspruch, und es wird erhalten werde, und so muss ich mich nicht auf ̈berraschun- 
erwartet, dass die Beurteilung entlang von transparenten Krite- gen gefasst machen. Bei der offenen Form verzichte ich auf 
rien erfolgt. Bei diesem Typ von R̈ckmeldungen, die m̈glichst vereinbarte Kriterien; ich gebe die R̈ckmeldungen zu all dem, 

datengesẗtzt sein sollen, sprechen wir von Evaluation.
was mir beim Unterrichtsbesuch aufgefallen ist. Diese offene 
Form – entlang der Was-f̈llt-mir-auf-Frage – wird oft als die 

In wieweit korrelieren das Dienstalter und die spannendere erlebt. Sie ist aber kommunikativ anspruchsvoll, 
Evaluationsbereitschaft?
weil sie deutlich mehr subjektive Anteile entḧlt: Ich stelle letzt- 

Die Lernhaltung der Lehrperson ist entscheidend daf̈r, ob eine lich auch mich mit meinen «Wahrnehmungsvorlieben» und den 
R̈ckmeldung sinnvoll genutzt wird. Junge Lehrerinnen und darin versteckten Wertungen und Haltungen zur Diskussion. 
Lehrer verstehen sich eher als Lernende. Das ist der springende Lehrpersonen melden uns oft zur̈ck, dass man gerade bei der 

Punkt. Bei jenen, die erfahrungsges̈ttigt sind und den Eindruck Beobachtung von anderen dazu angeregt wird, ̈ber die eigene 
haben, das Handwerk zu beherrschen, hat eine Evaluation oder Praxis nachzudenken. Im Fremden erkennen wir das Eigene. So 

ein Feedback eventuell einen fraglichen Stellenwert: dann n̈m- oder so verlangt das Feedbackgespr̈ch eine hohe kommunika- 
lich, wenn diese Personen aus der Lernhaltung fallen. Dann ist tive Kompetenz. Diese darf allerdings von einer Lehrperson auch 

f̈r sie der Sinn einer Evaluation oder eines Feedbacks nicht erwartet werden. Eine Lehrperson ist ja per se ein Feedback- 
mehr gegeben! Es ist also nicht in erster Linie das Dienstalter, Profi (oder sollte es jedenfalls sein): Sie gibt ununterbrochen 
es ist die eigene Einstellung von sich selber: Sehe ich mich als R̈ckmeldungen an die Klasse und an den Einzelnen! Das ist 

lernende Person im Handwerk Unterrichten? Will ich noch ler- ja auch im Unterricht eine entscheidende Lerngrundlage, weil 
nen? Das tangiert dann vielleicht indirekt auch das Dienstalter.
dadurch die Lernprozesse der Scḧlerinnen und Scḧler ange- 

trieben und untersẗtzt werden.
Das kollegiale Feedback ist dabei eine der wertvollsten Weiter- 

bildungen, ist Professor Landwehr ̈berzeugt. Das gegenseitige 
«Mir ist es wichtig, Hospitieren gilt als besonders aufschlussreich: Der Blick von 
aussen erm̈glicht Selbsterkenntnisse und f̈hrt zu einem ver- 

Lehrpersonen aus
tiefenden Austausch mit Teammitgliedern.

dem stillen K̈mmerlein 
Hospitiere ich bei einer mir vertrauten Kollegin oder 
der Selbst-Reflexion ist dies auch bei jemand Fremdem m̈glich?
Eine gute Frage! Kollegiales Feedback hat keinen Rechen- 

hinauszuf̈hren.»
schaftslegungscharakter; es ist eine rein erkenntnisorientierte 
R̈ckmeldung. Eine solche kann ich ohne weiteres auch mit einer





   12   13   14   15   16