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Schulblatt Thurgau 2 • April 2014 F O K U S 15
Feedbackform dann nicht mehr zu reanimieren ist. Der Kollaps ist
durch vorausschauende, abwechslungsreiche Planung der Eva-
luationsformen zu verhindern. Auf diese Weise kann Feedback
sehr attraktiv sein. Mir ist es wichtig, Lehrpersonen aus dem stillen
K̈mmerlein der Selbst-Reflexion hinauszuf̈hren; sich gemeinsam
im sozialen Kontext auszutauschen ist doch weit anregender und
ergiebiger, als sich gewissermassen «autistisch» hinzusetzen, um zu
̈berlegen, was am eigenen Unterricht gut oder weniger gut war.
Evaluationen erm̈den doch auch!
Naẗrlich gibt es Schulen, die bez̈glich Evaluationen und Feed-
backaktiviẗten auch Erm̈dungserscheinungen zeigen: Jetzt
haben wir’s aber gesehen! Dies geschieht, weil es oft nicht gelingt,
zu den Beobachtungen und Evaluationsergebnisse in ein offenes
und tiefes Gespr̈ch zu gelangen und es beim oberfl̈chlichen Ab-
arbeiten bleibt. Nachdem die Neugierde gestillt ist, wird es wichtig
danach zu fragen, wie ein Gespr̈ch entstehen kann, das auch
tats̈chlich etwas bringt. Dies bedingt unter anderem eine Evalua-
tion des Feedbackprozesses, damit dieser in die Tiefe vordringt
und nicht in der Routine erstarrt – als blosses Ritual sozusagen.
Ein Wort noch zu den Fragebogen.
Um gleich zum Kern vorzustossen: Entscheidend bei der Praxis-
«Evaluationen sollten evaluation sind weniger die Daten, als vielmehr das Gespr̈ch
nicht nur Schwachstellen dar̈ber. Es geht nicht darum, dass einzelne Personen z.B. aus
der schulinternen Q-Gruppe vor versammeltem Kollegium die
aufdecken, sondern auch
Evaluationsdaten interpretieren. Die Interpretation muss vom
Sẗrken benennen.»
Kollegium gemeinsam vorgenommen werden! Das ist die Kunst
der Evaluation! Die Schule muss mit Daten umgehen lernen:
Aus den Daten sollen – gemeinsam getragene – Taten folgen!
Brauche ich Standards hierf̈r?
Wo liegen die besonderen Herausforderungen
Nicht unbedingt. Ich komme nochmals zur̈ck auf das Was-f̈llt- einer Evaluation?
mir-auf-Feedback. Ich gehe also in den Unterricht, schaue mich Die Sache mit den Fragebogen l̈uft sich erfahrungsgem̈ss re-
um, mache Notizen zu all dem, was mir auff̈llt. Wenn ich mich so lativ schnell tot – vor allem, wenn damit falsch umgegangen wird.
ausrichte, habe ich naẗrlich die pers̈nliche Wertung mit drin; mir Neuerdings begleiten wir Schulen bei sogenannten «Kompakt-
fallen Sachen auf, die mir wichtig sind, oder die dem widersprechen, Evaluationen» zu einem geẅhlten Thema. Es ist wichtig, eine
was mir wichtig scheint. Ich muss mir bewusst sein, dass ich nicht Evaluation in einem beschr̈nkten Zeitgef̈ss durchzuf̈hren und
hingehe und mit dem Objektiviẗtsanspruch bewerte. Ich melde qualitative Daten von verschiedenen Adressaten einzuholen. Wo
einzig, was mir aufgefallen ist – und weshalb. Da ich dabei immer das gelingt, kommt neues Leben in die Evaluation. Wichtig ist
auch ̈ber mich spreche, k̈nnen sich daraus sehr tiefe Feedback- es, dass die Institution bereits bei der Entwicklung einer guten
gespr̈che ergeben. Ich will also nicht einen Kollegen bewerten, Problemstellung begleitet wird: eine Evaluationsfrage muss ge-
sondern wir beide f̈hren ein erfahrungsbezogenes Gespr̈ch ̈ber funden werden, die unter den N̈geln brennt und bei der ein
guten Unterricht; beide bringen ihre pers̈nlichen Anteile hinein. echtes Bed̈rfnis besteht, der Sache wirklich differenziert auf
Diese Methode f̈hrt weg vom «kleinen Inspektor Kollege»: Es geht den Grund zu gehen. Ohne eine solche erkenntnisleitende Pro-
nicht um Unterrichtsbewertung, sondern um das gemeinsame, er- blemstellung wird es schwierig sein, Aufwand und Ertrag einer
fahrungs- und reflexionsgesẗtzte Lernen zum Praxisfeld Unterricht.
Evaluation in einem positiven Verḧltnis zu erleben.
Wie gelingt die kollegiale Hospitation?
Nennen Sie uns bitte ein Beispiel von
effizientem Evaluieren!
Bereichernd ist, ein Dreierteam statt eines Tandems aufzustel-
len. Der Austausch zu Dritt ist reichhaltiger; und drei Besuche Besonders attraktiv ist in diesem Zusammenhang die Rating-Kon-
mit anschliessendem Austausch (Feedbackgepr̈ch) ẅhrend ferenz. Ein kurzer Fragebogen mit ca. zehn skalierten Items wird
eines Schuljahres reichen v̈llig aus, erg̈nzt durch ein Schluss- abgegeben und individuell ausgef̈llt. Anschliessend werden die
gespr̈ch, in dem die Sequenz ausgewertet und ein Fazit ̈bers Ergebnisse auf einen Gross-Format-Fragebogen (z.B. auf Flip-
Ganze gezogen wird. Wohlverstanden: das kollegiale Feedback chart) ̈bertragen. Innerhalb von 10 Minuten habe ich eine fertig
ist nur eine von vielen Formen der Reflexion, im darauf folgenden ausgewertete Befragung. Danach kann schon die gemeinsame
qualitative Interpretation stattfinden. Diese einfache Befragungs-
Jahr steht vielleicht eine Scḧlerbefragung und sp̈ter eine video-
gesẗtzte Beobachtung an; eine Form darf nicht solange ausgereizt methode kann sowohl bei Scḧlerinnen und Scḧlern wie auch im
werden, bis die allseitige Erm̈dung eintritt, so dass die betreffende
Kollegium angewandt werden.