Page 9 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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HINTERGRUND
«Einiges mache ich nun noch bewusster»
Die Lehrpersonen-Tagung im letzten September be- fasste sich mit der Klassenführung. Eine zweifache, gestaffelte Online-Nachbefragung wollte wissen, wie Lehrpersonen selbst mit dieser Herausforderung umgehen. Eine Nachlese.
Xavier Monn, Fachexperte Schulentwicklung, AV
Andreas Helmke referierte zunächst zum Thema «Wie wirksam ist gute Klassenführung?». Demnach beinhal- tet eine effiziente Klassenführung die Komponenten «Regeln» (Vorbeugung von Störungen), «Zeitnutzung für Ler- nen», «Rituale, Routinen, Signale», «effizienter Umgang mit Stö- rungen» und «Aufbau erwünschten Verhaltens». Zum Stichwort effizienter Umgang mit Störungen empfahl Helmke den «low- profile-Ansatz». Dieser verfolgt das Ziel, den Unterrichtsfluss möglichst nicht zu unterbrechen. Lehrpersonen erreichen dies mit einer deeskalierenden Haltung sowie einer proaktiven Ver- stärkung gewünschten Verhaltens seitens der Schülerinnen und Schüler (z. B. Lob, Anerkennung, nonverbale Signale). «Die beste Störungsprävention ist jedoch guter Unterricht», meinte Helmke abschliessend. Sein Fazit: «Effiziente Klassenführung ist nicht alles, aber ohne sie geht alles andere gar nicht». Nach der Pause vertieften die Teilnehmenden das Gehörte in Diskussionen über Videosequenzen zu Störungen, wie sie im Klassenzimmer vor- kommen können. In einem Fragebogen zur «Selbsteinschätzung des Disziplinmanagements» verschafften sie sich Klarheit über ihre Klassenführungskompetenzen. Der ausgewertete Fra- gebogen stand später den Teilnehmenden anonymisiert und passwortgeschützt auf der Website von Prof. Dr. Helmke zur Verfügung, was einen Profilvergleich der Selbsteinschätzung mit der Gesamtgruppe ermöglichte.
Erste Online-Befragung
Rund die Hälfte der 130 Teilnehmenden hat an der Online- Befragung teilgenommen. Die Rückmeldungen waren z.T. sehr differenziert, was aufgrund des offenen Antwortformats nicht selbstverständlich ist. Gefragt nach Inhalten der Veranstaltung, die sich mit ihren eigenen Erfahrungen im Unterricht decken, erwähnten die Teilnehmenden die Bedeutung von Ritualen und Regeln (und deren Einforderung) sowie das frühzeitige Ein- schreiten bei unerwünschtem Verhalten der Schülerinnen und Schüler bzw. das Bestärken erwünschten Verhaltens. Erwäh- nung fand verschiedentlich die Anregung, sich immer wieder in die Situation der Schülerinnen und Schüler zu versetzen bzw.
Störungen aus der Sicht der Störenden zu betrachten: «Stö- renfriede handeln oft nicht gegen die Lehrperson, sondern aus einem anderen Beweggrund.» Viele Rückmeldungen bezogen sich auf die «Lehrerpräsenz» bzw. die Bedeutung der Lehrperson als Führungspersönlichkeit auf der Basis eines vertrauens- und respektvollen Umgangs mit den Schülerinnen und Schülern: «Das Wichtigste am Unterricht ist für mich eine gute Beziehung, Vertrauen zu den Lernenden aufzubauen.» Ebenso bestätigten viele Teilnehmende die Klassenführung als zentralen Grundpfei-
ler eines erfolgreichen Unterrichts. Erwähnt wurden in diesem Zusammenhang eine effiziente Nutzung der Unterrichtszeit, z.B. durch eine reibungslose Gestaltung der Übergänge und eine gute Unterrichtsvorbereitung. Diese führt nach Erfahrungen der Teilnehmenden zu einer Reduktion von Störungen. Aber auch Schwierigkeiten und Belastungen wurden angesprochen: «Klas- senführung war bei mir immer schon ein Thema, welches mich oft an meine Grenzen gebracht hat und mir manchmal auch die Freude am Job genommen hat.» Das zeitnahe Intervenieren auf eine Störung, ohne dem unerwünschten Verhalten dadurch zu viel Aufmerksamkeit zu schenken, wird bspw. als eine solche Herausforderung beschrieben. Dass Lehrpersonen in der Regel
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«Das Wichtigste am Unterricht ist für mich eine gute Beziehung, Vertrauen zu den Lernenden aufzubauen.»