Page 7 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015 F O K U S 7
«Kein anderer Aspekt der Klassenführung ist für die Störungsfreiheit des Unterrichts so wirksam wie die Allgegenwärtigkeit der Lehrperson.»
rungen zeigt (Effektstärke von d = 0,76; Hattie, 2013, S.125). Wichtig ist dabei eine gute Balance zwischen Abbau uner- wünschtem (insbesondere störendem) Verhalten einerseits und dem Aufbau (durch kontingente Verstärkung) bzw. der Aufrecht- erhaltung (durch intermittierende Verstärkung) akzeptablen Ver- haltens andererseits.
4. Klassenführung und Unterrichtsqualität
In der Forschung wird vor allem auf die entscheidende Rolle eines durch Unterstützung, Freundlichkeit und wechselseitigen Respekt charakterisierten Lernklimas hingewiesen; Klassenfüh- rung und Unterrichtsqualität hängen also eng zusammen. Eine systemische Sichtweise, die dem Charakter der Orchestrierung des Unterrichts Rechnung trägt, bewahrt einen vor einer me- chanischen Missinterpretation, derzufolge bereits das Drehen an einer Stellschraube zu massgeblichen Veränderungen führt. Eine Fokussierung auf die Effizienz der Klassenführung unter Ausblendung anderer, damit zusammenhängender Aspekte der Beziehungsqualität und der Unterrichtsqualität ist nicht zielfüh- rend. Klassenführung und guter Unterricht beeinflussen sich wechselseitig: Ist der Unterricht motivierend, weder unter- noch überfordernd, sind Schülerinnen und Schüler aktiv und an der Gestaltung des Unterrichts mitbeteiligt, dann wirft die Klas- senführung wenig Probleme auf. Und umgekehrt: In einer gut geführten Klasse lässt es sich nicht nur leichter, sondern auch besser unterrichten. Die gleiche Wechselwirkung trifft für die Beziehungsqualität zu. Hierzu zwei vielsagende Zitate:
• «The quality of teacher-student relationships is the keystone for all other aspects of classroom management ... teachers who had high-quality relationships with their students had 31 percent fewer discipline problems, rule violations, and related problems over a year’s time than did teaches who did not have high-quality relationships with their students» (Marzano et al., 2003, p.1).
• «The management of your classroom must begin with develo- ping trusting relationships with your students. Without mutual feelings of trust and respect, you will be unable to assume the role of an instructional leader in your classroom.» (Borich, 2007, p.159).
5. Lehrerprofessionalität und -persönlichkeit
Die Wirksamkeit der Klassenführung – als Prozessvariable – hängt nicht nur von der Wissensbasis der Lehrperson in diesem Bereich, sondern in vielfältiger Weise auch von der Lehrerper- sönlichkeit ab: von der Autorität und Glaubwürdigkeit, dem Auftreten und der Körpersprache über implizite Theorien des- sen, was eine «gut geführte» Klasse ist, über subjektive Tole- ranzspielräume (ab wann wird ein Schülerverhalten als störend empfunden?) bis hin zur Bereitschaft und Fähigkeit, die emotio- nalen Beziehungen zu den Schülern positiv zu gestalten (vgl. Helmke, 2014, Kapitel 3 «Lehrerpersönlichkeit»). Unter «Lehr- person» lässt sich der in der Metaanalyse von Marzano (2000) gefundene störungspräventive Effekt der «emotional objectivity» subsumieren (Effektstärke von d = 0,70). Eine 1:1-Übersetzung dieses Konzeptes ist nicht zielführend, daher sei dieses Syndrom (von Marzano auch als «mental set» bezeichnet) durch seine Fa- cetten umschrieben:
• kontinuierliche Reflexion des eigenen Unterrichtsverhaltens und seiner Wirkungen (Hattie, 2013, S.15): «Der wichtigste Aspekt besteht darin, im Klassenzimmer Situationen zu schaf- fen, in denen die Lehrpersonen mehr Feedback über ihren Unterrichtsstil erhalten können»
• eine realistische Einstellung zu den Schülern: weder roman- tisch (Schüler als Freunde und Kumpel) noch zynisch (Schü- ler als Feinde), sondern Lernende, die wertgeschätzt werden und an deren Stärken angeknüpft wird
• Bereitschaft, sich insbesondere bei Störungen in die Lage der Schüler zu versetzen; kognitive Empathie
• Kontrolle eigener negativer Emotionen (wie Ärger und Frus- tration) im Klassenzimmer
Genau daran knüpfen die Diagnosewerkzeuge EMU (Sichtbar- machung des Lehrens und Lernens durch kriteriengeleiteten Abgleich von Perspektiven und Reflexion über Unterricht) und EMUplus (kollegialer Austausch über Unterrichtsqualität aus der Perspektive der Lehrergesundheit) an, siehe www.unterrichts- diagnostik.info und unseren Beitrag im SCHULBLATT Thurgau


































































































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