Page 6 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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6 F O K U S Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015
Neben der Sicherung des Lernzeitbudgets sind noch andere kausale Mechanismen denkbar: Eine effiziente Klassenführung signalisiert auch die überragende Wichtigkeit und Wertigkeit, die die Lehrperson dem Lernen zuschreibt und ist damit – über die Steigerung der Lernmotivation – indirekt ebenfalls lernförderlich.
3. Komponenten
Klassenführung ist kein homogenes Konstrukt, sondern umfasst sehr unterschiedliche Aspekte, deren gemeinsamer Nenner darin besteht, störungsfreie, lernförderliche Situationen im Klassen- zimmer herzustellen («framework for learning»):
Regeln und Prozeduren
Regeln, also verbindliche Abmachungen, sind das A und O einer proaktiven Klassenführung, wie die Lehr-Lern-Forschung immer wieder gezeigt hat. Den Fluss des Unterrichts fördern darüber hinaus Prozeduren (oder Verfahren, Routinen): Dies sind spe- zifische, explizit gelernte und eingeübte Verhaltensmuster für immer wiederkehrende Situationen, die dafür sorgen, dass im Unterricht allen klar ist, was von wem und wie getan werden muss. An Stelle verbaler Äusserungen werden sie oft durch Signale, Gesten oder Symbole initiiert, wodurch sie auch einen Beitrag zur Zeitersparnis und zur Lehrerentlastung (Schonung der Stimme) beitragen können. Hattie (2013, S. 122) berichtet – gestützt auf die Metaanalyse von Marzano (2000) – für Regeln und Prozeduren eine Effektstärke von d = 0,76.
Allgegenwärtigkeit
Die Wirksamkeit des bereits von Kounin gefundenen, von ihm «withitness» (Allgegenwärtigkeit, Dabeisein) genannten Verhal- tensmusters wurde von der späteren Forschung nachdrücklich bestätigt. Kein anderer Aspekt der Klassenführung ist für die Störungsfreiheit des Unterrichts so wirksam wie die Allgegen- wärtigkeit der Lehrperson (Hattie, 2013, S.122); die Effektstärke
beträgt d = 1,42! Marzano et al. (2003) schreiben hierzu: «Deve- loping the peripheral vision needed to successfully manage a group of thirty students is an important part of behaviour manage- ment. Scanning the classroom whilst teaching and intervening immediately, using the minimal possible intervention to resolve the issue, limits the opportunity for things to spiral out of control.» (p. 67). Sie schliesst die Fähigkeit des «multi-tasking» mit ein: das Monitoring mehrerer, simultan verlaufender («overlapping») Hand- lungsstränge und Situationen.
Zeitnutzung
Die Nutzung der Unterrichtszeit fürs Lernen ist ebenfalls zentral und erfordert die Identifikation und Minimierung möglicher Zeit- diebe. Wie die videobasierte Unterrichtsforschung gezeigt hat, sind dies vor allem: Unpünktlichkeit, schleppende Übergänge, Schwierigkeiten mit Medien & Technik und Störungen. Unter dem Gesichtspunkt «Umgang mit Vielfalt» kann man auch die Unterbeschäftigung einzelner Schüler(-gruppen) durch unange- messene Aufgaben dazu zählen.
Aufbau erwünschten und Abbau unerwünschten Schülerverhaltens
Diese Strategien umfassen zum einen disziplinarbezogene In- terventionen und den situationsangemessenen Gebrauch von negativen Sanktionen einerseits und von positiver Bekräftigung andererseits. Die Hinwendung zu konstruktivistischen Denkvor- stellungen hat bei vielen Pädagogen dazu geführt, klassische lernpsychologische Konzepte aus dem Bereich der Verhaltens- modifikation (wie Verstärkung, Löschung, Bestrafung) gänzlich zu verbannen, ja, sie für anstössig oder anachronistisch, weil «behavioristisch» zu halten. Lernpsychologische Gesetzmässig- keiten zu ignorieren, ist jedoch ein kapitaler Fehler, wie nicht zuletzt die von der Hattie-Studie belegte Wirksamkeit verhal- tenspsychologischer Massnahmen für die Reduzierung von Stö-


































































































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