Page 11 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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GESPRÄCH
«Was taugen Regeln, wenn keine Werte da sind?»
Die externe Evaluation im Schulzentrum Bruggfeld Bischofszell ergab, dass das geltende Regelwerk stark auf Werten basiere. Schulleiter Martin Herzog legt dar, wie diese Momentaufnahme im Alltag tat- sächlich wirksam ist.
«Urs Zuppinger
Das, was wir hier machen, ist nicht besser als das, was andere machen. Mich überraschte einfach die spezielle Rückmeldung aus der Evaluation. Erstaunt
hat sie mich nicht, weil wir doch schon seit Jahren Werte an unserer Schule vermitteln wollen. Es trifft unser Ansinnen prä- zis, denn wir haben in den letzten Jahren sehr vieles für einen respektvollen Umgang getan. Die Persönlichkeitsbildung rückt in Projekten und Spezialwochen in den Mittelpunkt. Es ist daher sehr positiv, wenn das Schlagwort zur obigen Bemerkung buch- stäblich Ausschlag gibt: Was taugen Regeln, wenn keine Werte da sind? Ich kann doch erst eine Regel ausformulieren, wenn ich einen Wert kenne. Dieser weist uns den Weg. Es sind kurze Einsprengsel oder eben gar Projektprozesse, die nach und nach
die entsprechenden Werte vermitteln, sie in Erinnerung rufen. Sie erscheinen einem vorerst neu, werden installiert, dann ver- bessert und plötzlich sehen wir sie als selbstverständlich an. Natürlich hatte ich meine eigenen Vorstellungen, als ich den Schulleiter-Job hier antrat, gab ich doch zuvor schon einige Jahre Schule hier im Haus. Werte haben mit dem Team und nicht mit uns Schulleitern zu tun. Sind wir ehrlich, du stösst na- türlich auch auf offene Ohren, wenn es um respektvollen Um- gang geht. Gestern sprachen wir Schulleiter der VSG über die Kommunikation innerhalb der Volksschulgemeinde. Was kann schon im Grossen funktionieren, wenn es im Kleinen hapert?
Irgendwo springt der Funke! Weniges setzten Co-Leiter Toni Bet- schart und ich fest. Kein «So ist es!». Wir entscheiden lieber aus dem Kollegium heraus. Ich setze Ideen zuerst in meiner Klasse um, dort wo ich unterrichte. So haben sich aus einem Kick-off zur Persönlichkeitsbildung von zwei Tagen an der 1. Sek zwei ganze Projektwochen entwickelt. Diese bilden die Grundlage zur Wertevermittlung. Mir ist bewusst, dass in den verschiedenen Unterrichtsräumen noch sehr unterschiedliche Gepflogenheiten gelten. Ganz zu schweigen von den Familien! In den Klassen soll diese Vielfalt auch so sein. Im Gesamtbetrieb schnüren wir das Paket mit wenigen gemeinsamen Werten enger. Je mehr wir aufschreiben und fixieren, je weniger kann ein Einzelner daran schaffen. Ich lauf doch nicht mit einer Checkliste rum!
Klassenrat und Schülerparlament
Flankierend setzten wir einen Klassenrat ein. Regelmässig soll er am Freitagnachmittag tagen. Dann ist eine Klasse für zwei Lektionen bei der Klassenlehrperson, so kann sie sich arrangie- ren. Über die Gremien Klassenrat und Schülerparlament kann ich meine Anliegen auf demokratischem Weg einbringen – diese kommen auch demokratisch an uns zurück. Das Schülerparla- ment wirkt als Drehscheibe, die Themen zurück an den Klassen- rat gibt. Dort wird diskutiert. Und umgekehrt auch. Der einzelne Schüler merkt, ich werde ernst genommen und darf auch mal Negatives äussern.
Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015 F O K U S 11