Page 51 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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reagierte in Zeichnungen, grafischen Blättern und Gemäl- den ganz direkt und bissig auf die kriegerischen Ereignisse: sein Glück, dass diese Werke bis Kriegsende niemand sah! Nicht bei allen Kunstschaffenden zeigte sich eine direkte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kriegsthema. Die Einschränkungen des Alltagslebens und die Gedrücktheit der Stimmung fanden bisweilen indirekt Eingang in die Bilder. Der damals junge Carl Walter Liner malte während des Kriegs oder im Anschluss daran mehrere im Schwarz versinkende Landschaften oder aber rot glühende Ruinen- landschaften. Und im Werk von Carl Roesch verschwan- den die fröhlichen Badebilder der Dreissigerjahre und machten Platz für behäbige Bauernmotive.
Einen unmittelbaren Einblick in den Alltag der Schweizer Bevölkerung geben Fotografien von Hans Baumgartner und Theo Frey. Während Hans Baumgartner als Privater seine Eindrücke der Präsenz des Soldatischen festhielt oder aber in seiner Funktion als Lehrer intime Alltäglichkeiten der Be- völkerung auf dem Land festhielt, war Theo Frey als Repor- ter mit offiziellem Auftrag der Armee unterwegs. In dieser Funktion dokumentierte er den sogenannten «Rütlirapport», der als eines der prägenden Ereignisse in die Schweizer Mentalitätsgeschichte einging. Weniger bekannt, aber nicht weniger ergreifend sind seine Bilder aus Flüchtlingslagern, von denen es auch in der Ostschweiz mehrere gab. Ka- rikaturen aus dem Nebelspalter von Bö, dem Appenzel- ler Carl Böckli und eine Serie von Porträts von wichtigen Persönlichkeiten aus der damaligen Kulturwelt von Ernst Emil Schlatter runden das Bild des Ostschweizer Alltags in den Kriegsjahren ab. Ergänzend zum Bildmaterial vermit- teln Hörstationen eindrückliche Stimmungsbilder, so etwa gesprochene Tagebucheinträge von Carl Roesch und Ernst Graf oder Briefzitate von Adolf Dietrich, Käthe Vordtriede und Hedwig Scherrer. Durch die unterschiedlichen künst- lerischen Zeugnisse und Zitate erhält ein üblicherweise schwerwiegendes, drückendes Thema eine facettenreiche, emotionale und auch ästhetische Färbung.
HISTORISCHES MUSEUM
Das Mittelalter fasziniert
Obwohl das Ende des Mittelalters rund ein halbes Jahrtausend zurückliegt, ist es uns näher denn je. Die Zeit der Ritter und Burgen ist höchst gefragt. Unterhaltungsangebote, Märkte und spezielle For- mate der Vermittlung sind Zeugen davon. Histo- rische Museen leisten hier einen wichtigen Beitrag zur Differenzierung.
Melanie Hunziker, Historisches Museum Thurgau, Kulturvermittlung
D
gelbe Waffenrock, den er über dem Kettenhemd trägt, ist aus Wollstoff und handgefertigt. Der Ritter heisst Balthasaar. Gelebt hat er eigentlich vor rund 900 Jahren. Als Figur steht Balthasaar aber im Jahr 2014 vor dem Schloss Frauenfeld und drillt ein wackeres Heer von Kindern und Eltern.
Fernweh nach vergangenen Zeiten
Wenn seine Befehle nicht gerade Burghöfe zum Dröhnen brin- gen, heisst Balthasaar dann Hanspeter, trägt Hemd und Hose und arbeitet in einem «richtigen» Beruf. Seine grosse Leiden- schaft ist das historisch detailgetreue Wiederauflebenlassen des Hochmittelalters. Zusammen mit seinen Vereinskollegen, dem Zähringervolk, die eben auch als Frauenfelder Burgherren auftreten, erfreut er ein breites Publikum. Das Zähringervolk ist bei Weitem nicht die einzige sogenannte Reenactmentgruppe, welche die Epoche der Ritter auferstehen lässt. Mittelalterver- eine und -anlässe erleben eine Hochkonjunktur. Für die einen stehen die geschichtliche Recherche und Detailtreue im Vor- dergrund, für andere Action, Spiel und Spass. Kunst, Musik und
er stattliche, bärtige Ritter schreitet die Reihe stramm- stehender Kämpfer ab. Er dreht sich auf dem Absatz
um und erhebt seine Stimme zum Befehl. Der rot-
INFORMATION
Der Himmel brennt am Horizont – Kunst in der Ostschweiz im Banne des 2. Weltkrieges bis 30. August 2015
Ausstellungsbesuch mit Klassen
Führungen oder Workshops in dieser
Ausstellung oder zu Themen der Sammlung können an allen Wochentagen gebucht werden.
Kosten: CHF 100.– pro Halbtag.
Kontakt
Brigitt Näpflin, Tel. 058 345 10 71 brigitt.naepflin@tg.ch
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