Page 34 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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Lernphase Lerntätigkeit
K Kontakt herstellen A Aufbauen
F Flexibilisieren
K Konsolidieren
A Anwenden
LEHRPLAN 21 AUSGABE 11 · SCHULBLATT FEBRUAR 2015
Lernaufgaben richtig eingesetzt
Der folgende Beitrag geht auf die didaktische Funk- tion von Lernaufgaben ein und bietet ein Prozess- modell als (Planungs-)Hilfe an, wie Lernaufgaben so in eine Abfolge gebracht werden können, dass aus lernpsychologischer Sicht der Kompetenzerwerb möglichst optimal unterstützt wird.
«Dr. Herbert Luthiger, Pädagogische Hochschule Luzern
Eine kompetenzorientierte Unterrichtsgestaltung rückt die didaktische Funktion von Aufgaben in den Mittelpunkt», postulieren die beiden Autoren Nänny
und Monn in der Schulblattausgabe 05 | 2014 (S. 24) – das ist völlig korrekt! Denn die didaktische Funktion trägt der Tat- sache Rechnung, dass Aufgaben für unterschiedliche Zwecke genutzt und auf diese hin optimiert werden können. Auf einer ersten Differenzierungsstufe kann zwischen Aufgaben für das Lernen und Aufgaben für das Leisten unterschieden werden. Eine solche Unterscheidung von Lern- und Leistungsaufgaben findet man häufig in den Fachdidaktiken (z. B. Abraham & Müller, 2009; Köster, 2008; Leuders, 2014).
Zum (richtigen Ort) der Lernaufgabe
Betrachtet man den Ort von Lernaufgaben in einem in Phasen ge- gliederten, längeren Lernprozess, so kann man auf einer zweiten Differenzierungsstufe Lernaufgaben nach ihrer Funktion gliedern, die sie in der jeweiligen Unterrichtssituation zu übernehmen haben. Aufgaben generieren Situationen, die Schülerinnen und Schüler in Experimentier-, Übungs-, Anwendungs- oder Verwendungssitua- tionen verwickeln und sorgen somit dafür, dass die Schülerinnen und Schüler einen vollständigen Lernzyklus durchlaufen. Hilfreich erweist sich hier das KAFKA-Modell (Reusser, 1999), welches in Anlehnung an Aeblis PADUA-Modell die Lerntätigkeiten der Schü- lerinnen und Schüler artikuliert und eine lernpsychologisch be- gründete Abfolge zum vollständigen Kompetenzaufbau modelliert:
«Kontakt herstellen» mit Konfrontationsaufgaben Didaktische Funktion: Konfrontationsaufgaben machen neu- gierig, irritieren, werfen Fragen auf (Kernidee) und regen zum Austausch und erste Intuitionen an.
Merkmale: Charakteristisch für Konfrontationsaufgaben ist, dass sie – auf lebensweltlichen Problemen bzw. fachlichen Phänomenen beruhend – an Präkonzepten, Erfahrungen an- knüpfen und kumulatives Lernen und Selbststeuerung im Er- kenntnisprozess ermöglichen. Sie sind offen für individuelle Lösungswege und regen die aktive Wissenskonstruktion an. Typisch für Konfrontationsaufgaben ist, dass sie ...
• lebensweltliche Vorstellungen aktivieren und / oder individuelle Zugänge zu fachbedeutsamen Gegenständen und Tätigkeiten eröffnen (Grad der Authentizität).
• divergierendes Denken fördern (Art der Kognition).
• vorstrukturiert sind (Grad der Komplexität).
• offen (selbstdifferenzierend) sind (Grad der Differenzierung).
«Aufbauen» mit Erarbeitungsaufgaben
Didaktische Funktion: Erarbeitungsaufgaben unterstützen den Aufbau von Kompetenzaspekten und verknüpfen individuelle Erkenntnisse mit der «fertigen Fachwissenschaft». Erarbeitungs- aufgaben vermitteln objektives Fachwissen, Zusammenhänge, Fertigkeiten und Haltungen.
Merkmale: Wissen, Können und Haltungen entstehen durch Ord- nen, d. h. durch Systematisieren und Sichern der gefundenen / er- fundenen Zusammenhänge und Begriffe. Erarbeitungsaufgaben stellen somit den entscheidenden Konnex zwischen individueller Erkundung und dem «regulären Fachwissen» dar. Typisch für Er- arbeitungsaufgaben ist, dass sie ...
• das Eindringen in unterschiedliche authentische Aspekte des Lerngegenstandes (Begriffe, Konzepte, Verfahren) ermöglichen (Grad der Authentizität).
• individuelle Vorstellungen ordnen, ergänzen (Art der Kognition).
• vorstrukturiert sind (Grad der Komplexität).
• zeitnahes sachorientiertes Feedback und Lernunterstützung
ermöglichen (Grad der Differenzierung).
«Flexibilisieren und Konsolidieren»
mit Übungs-/Vertiefungsaufgaben
Didaktische Funktion: Übungsaufgaben konsolidieren, auto- matisieren, trainieren unterschiedliche Aspekte des Lernge- genstandes («automatisierendes Üben»). Vertiefungsaufgaben hingegen ermöglichen im Sinne des «durcharbeitenden Übens» die variantenreiche Vertiefung und Vernetzung unterschiedlicher Aspekte des Lerngegenstandes.
Merkmale: Übungsaufgaben lösen die Anforderungen in kleine Stufen auf. In Vertiefungsaufgaben dagegen lassen sich Ab- schnitte zur Erhöhung der Wissensqualität finden. Charakte- ristisch für Übungs- und Vertiefungsaufgaben ist somit, dass sie ...
• fachlich orientiert sind (Grad der Authentizität).
• die Anwendung von Basiswissen (Fakten) und Fertigkeiten
fordern (Art der Kognition).
• vor- oder teilstrukturiert sind (Grad der Komplexität). • unterschiedliche Lernvoraussetzungen kompensieren
(Grad der Differenzierung).