Page 17 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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Die Disziplin fürs Lernen muss aus den Kindern selbst erwachsen.
PRAXIS
«Disziplin soll dem Lernen dienen»
Wie werden Regeln gefunden, um das Zusammen- leben für alle Beteiligten so angenehm wie möglich zu gestalten? Wir stellen zwei konkrete Vorgehens- weisen aus der Primarschule Roggwil vor.
Urs Zuppinger
Judith Untersee, Unterstufenlehrerin, sagt es gleich vor- weg: «Auch ich brauche meinen Platz im Schulzimmer». Manchmal sind Interventionen deshalb nötig. Nicht unter-
schwellig, sondern klar deklariert. Täglich beginnt der Unterricht im Kreis, um sich im wahrsten Sinne in die Augen zu schauen.
Unterstufe
Grundsätzlich existiert ein transparenter Regelkatalog. Wer laut ist oder etwas vergessen hat, verbucht einen Strich. Nach vier Strichen kriegen die Eltern einen Anruf, der die Umstände darlegt. Diese Liste der «Verfehlungen» wird nicht ausgehängt.
Bilder: Urs Zuppinger
Ebenso gepflegt wird das Bonus-System: Verhält sich Jonas be- sonders akkurat, ist ihm ein Stempel auf der Prämiensammel- karte sicher. Sind’s drei, darf er sich ein Lied von der Klasse wünschen, bei sechsen ein Morgenspiel. Addieren sich die Stempelpunkte der gesamten Klasse auf sechzig, folgt eine Wunschturnstunde. Jede Schülerin, jeder Schüler soll wissen, was passiert, wenn sie oder er sich daneben benimmt respektive wenn Lob angezeigt ist. Deswegen bewegen sich die Mädchen und Buben uneingeschüchtert im Raum. Ein lockerer Start in den Morgen sei allen gegönnt. Sabine fügt die Namensschild- chen ihrer Kameradinnen und Kameraden zu einem Herz auf der Magnetwand zusammen, Remo und Anja paaren Begriffe mit Piktogrammen und Emilio möchte nochmals von der Lehrerin eine Aufgabe erklärt haben. Zu spüren ist eine wache Ruhe. «Lernen braucht stille Phasen», erklärt Judith Untersee. Sie mag auch nie laut werden, zupft eine Gitarrensaite oder tupft einen Klangstab, wenn sie ihre Schar sammeln möchte: «Disziplin soll dem Lernen dienen». Um die angemessene Lautstärke zu ver- deutlichen, hängt an der Wandtafel eine Ampel. Rot bedeutet absolute Ruhe. Bei Grün darf geplaudert und gelacht werden. Wer die Atmosphäre miterlebt, spürt Konzentration und Wohlbe- finden. Judith Untersee weist auf unabdingbare Absprachen mit der Job-Sharing-Partnerin hin, dass etwa nach der Turnstunde das Umkleiden nicht mehr als zehn Minuten dauern darf. Regeln entstehen im Verbund mit der Klasse. Was brauchen wir, damit es uns wohl ist? Die Kinder lernen sich angemessen einzubringen. Augenfällig auf den Pulten im Klassenzimmer sind die Schreibun-
Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015 F O K U S 17


































































































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