Page 16 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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16 F O K U S Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015
PORTRÄT
Christoph Eichhorn
ist Diplom-Psychologe und arbeitet als Schulpsychologe
mit dem Schwerpunkt Classroom-Manage- ment. Er veröffent-
lichte zahlreiche Artikel und Bücher zu diesem Thema, hält Vorträge und gibt Workshops, z. B. an zahlreichen Universitäten und Pädagogischen Hochschulen. Für die Lehrerfortbildung in Bulgarien und der Slowakei hat er ein Class- room-Management-Trainingsprogramm entwickelt.
LITERATUR
• Evertson, C., Weinstein, C. (2006): Hand- book of Classroom Management. Research, Practice and Contemporary Issues.
• www.classroom-management.ch
• Herr Eichhorns Bücher finden Sie in der
Literaturliste unter Links & Rechtes S. 24/25.
einfach: Dass es offensichtlich gar nicht so wichtig ist, die An- forderungen der Lehrperson genau zu befolgen. Warum sollten sie es dann tun?
Weniger Disziplinprobleme bei guten Lehrer-Schüler-Beziehungen
Klar, wenn eine Lehrerperson häufig ermahnen und zurechtweisen muss, leidet die Lehrer-Schüler-Beziehung darunter. Und das wie- derum erhöht eher die Disziplinprobleme. Eine Studie zeigt, dass in Klassen mit guten Lehrer-Schüler-Beziehungen bis zu 30Prozent weniger Disziplinprobleme auftreten. Und je weniger Disziplinpro- bleme, desto entspannter und wohler fühlen Sie sich als Lehrerin und Lehrer in Ihrem Klassenzimmer. Ein ganz bedeutender Punkt. Denn dann können Sie sich auch besser in Ihre Schüler hineinver- setzen und deren Persönlichkeits- und Lernentwicklung adäquater begleiten. Ihre positive Grundstimmung strahlt auf Ihre Klasse aus. Jeder von uns kennt aus eigener Erfahrung die negativen Aus- wirkungen genervter Lehrpersonen auf die ganze Klasse. Heute besteht international Einigkeit darüber, was die Bedeutung guter Lehrer-Schüler-Beziehungen anbelangt. In der Hattie-Studie be- legen diese den Spitzenrang 11 – von 138 Faktoren.
Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und
Sicherheit im Klassenzimmer
Das Geschehen im Unterricht muss für Lehrer und Schüler ver- lässlich und vorhersehbar sein. Oder anders gesagt: Es kann nicht angehen, dass Lehrpersonen permanent mit unvorher- sehbaren Störungen rechnen müssen. Unterrichten würde zur
Schwerarbeit – auch die Schüler litten unter dieser Situation. Niemand schätzt Anpöbelungen, Anzüglichkeiten und Gereizt- heit. Schüler leiden darunter, wenn sich ihr Lehrer nicht auf an- gemessene Weise Gehör verschaffen kann. Sie erleben dann ihr Klassenzimmer als einen unsicheren Ort und fühlen sich von ihrem Lehrer nicht geschützt.
Herausforderungen im Lehrerberuf
Wir als Lehrperson müssen immer wieder massive Hindernisse überwinden, um unsere Schüler dazu zu bringen, das zu tun, was wir von ihnen einfordern:
• Sie haben spontan andere Interessen, als die, die schulisch
gerade aktuell sind.
• Manche bringen nur ein geringes Durchhaltevermögen,
begrenzte Frustrationstoleranz oder Eigensteuerungs- möglichkeiten mit, was dazu führt, dass sie schnell
stören und für sie unangenehme Emotionen unkontrolliert ausagieren.
• Viele haben nicht gelernt, Regeln einzuhalten.
• Extrem unterschiedliche Lernvoraussetzungen der
Schülerinnen und Schüler
• Die spezielle Dynamik in jedem Klassenzimmer:
Wo 20 oder 30 Schüler in einem Raum sind, entsteht eine ganz spezielle Dynamik. Ganz anders, als wenn wir nur mit einem Schüler arbeiten.
Wir brauchen deshalb unbedingt verlässliche Werkzeuge, um diese Konflikt-Dynamik, am besten schon präventiv, in geordnete Bahnen zu lenken. Und zwar auf positive und wertschätzende Art und Weise. Das ist tatsächlich Schwerarbeit. Classroom- Management gibt darauf eine Reihe überzeugender Antworten.
Lehrpersonen mit schwierigen Klassensituationen
Wenn sich in einem Klassenzimmer Schwierigkeiten massieren, reagieren viele Lehrpersonen mit :
• mehr Strenge: «Es braucht jetzt mal richtige Sanktionen»
oder «Jetzt muss man denen mal klar machen, wo es
langgeht», ist dann der Tenor.
• einem Training im sozialen Lernen und Respekt.
Die Lehrperson hofft, damit die Probleme lösen zu können. Oft werden dazu Fachpersonen von aussen eingeladen (Schulpsychologen, Schulsozialarbeiter).
All dies ist gut gemeint – führt aber oft nur zu einer vorüberge- henden Besserung der Situation. Weshalb? Die Gründe für ein ungeordnetes Klassenzimmer sind fast immer darin zu sehen, dass der Lehrer insgesamt zu wenig auf das Classroom-Manage- ment setzt und zu wenig Rituale und Routinen vermittelt – oder anders gesagt: Der Klasse fehlt es an Struktur. Das heisst, es existieren zu wenig Rituale, um potentiell konfliktträchtige Situa- tionen präventiv entschärfen zu können. Oder: die Lehrperson hat die vorhandenen Rituale zu wenig konsequent eingeübt. Man kann auch sagen, dass sich die Lehrperson nicht klar, souverän und wertschätzend genug positioniert hat. Es bleibt unklar, wer in der Klasse letztlich das Sagen hat. Ein Lehrer hat das vor Kurzem so auf den Punkt gebracht: «Die Schüler wollen hier Boss wer- den.» Classroom-Management will das Gegenteil, nämlich, dass Sie das Sagen im Klassenzimmer haben. Und dass Sie das auf positive und wertschätzende Weise erreichen.