Page 15 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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Herr Fischers Klasse hat über 25 Schülerinnen und Schüler, dann könnte es in der Turnhalle unruhig werden, weil die einen ihr Tuch nicht finden. Wie könnte Herr Fischer diese Situation präventiv strukturieren?
• Indem er seine Klasse z. B. in fünf Gruppen unterteilt. Jede Gruppe erhält eine Farbe, also die rote Gruppe rote Tücher.
Die beiden unterschiedlichen Vorgehensweisen unserer Lehr- personen haben weitreichende Auswirkungen auf die Unter- richtsführung, wie Bennet und Smilanich (1995) aufzeigen:
• In Klassen, in denen die Lehrperson Schülerstörungen
vorbeugt, verwendet sie bis 3,5 Prozent der Unterrichtszeit
für Disziplinierung.
• In Klassen, in denen die Lehrperson auf Störungen
reagiert, verwendet sie 7 bis18,5 Prozent der Unterrichtszeit für Disziplinierung. Das sind bei einer 12-jährigen Schullaufbahn circa 1,5 bis 2 Jahre!
Ermahnungen
Wenn eine Schülerin oder ein Schüler stört, reagieren viele Lehr- personen mit Ermahnungen. Wie wirksam diese tatsächlich sind, ist mittlerweile gut belegt.
Gibt es besonders wirksame Ermahnungen?
Kounin, der Pionier des Classroom-Managements, untersuchte diese Frage unter aufwendigem Einsatz von Videoaufnahmen. Nach unzähligen Analysen machte sich allerdings Frustration in der Forschungsgruppe breit. Denn so eifrig die Forscher auch fahndeten, sie entdeckten keinen Zusammenhang zwischen der Art der Ermahnung und deren Wirksamkeit: Ermahnungen eines bestimmten Typs waren nicht erfolgreicher als solche eines an- deren. Die Studie lieferte sowohl kuriose wie auch extrem auf- schlussreiche Befunde:
• Wenn es in der Klasse von Lehrer A zu laut wurde, ging Herr A zum Lichtschalter und schaltete das Licht an – es wurde sofort ruhig in der Klasse.
• Kollege B reagierte ebenso – allerdings ohne Erfolg.
Weshalb?
Lehrer A besteht konsequent darauf, dass es in seiner Klasse wirklich ruhig ist, wenn er das Licht anmacht. Auch B war darauf bedacht – aber er gab sich bereits zufrieden, wenn es in seiner Klasse ein bisschen ruhiger wurde. Und wenn einige Schüler noch nicht aufpassten und weiterhin laut waren, übersah er das geflissentlich. Vielleicht dachte er: «Ich will nicht so extrem streng sein», oder «Ob alle auch wirklich ganz ruhig sind, ist doch nicht so wichtig». Und genau da irrte er sich ...
Konsequent handeln statt ermahnen
Wie entscheidend es ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer auch wirklich konsequent das einfordern, was sie von ihren Schüle- rinnen und Schülern verlangen, zeigt eindrücklich die Studie von Wahl, Weinert und Huber. Diese fanden heraus, dass sich bei Unruhe die Lehrperson mit halbem Erfolg zufrieden gab und mit dem Unterrichten bereits wieder fortfuhr, kaum hatten sich die Dezibels sanft gesenkt. Die Lehrperson achtete nicht aus- reichend darauf, dass wirklich sämtliche Kinder das erwünschte Verhalten zeigten. Vielmehr versuchte sie, noch lauter den ver- bleibenden Lärm zu übertönen.
Klassenregeln
Ähnliche Zusammenhänge finden wir, was das Einhalten von Klassenregeln anbelangt. Lehrpersonen meinen oft, es sei ein- zig wichtig, solche überhaupt aufzustellen. So einfach ist das aber nicht! Denn jetzt kommt erst die Hauptarbeit: Schülerinnen und Schüler sollen Klassenregeln einhalten – und zwar langfris- tig. Aber wir wissen doch alle, dass – wenn wir beispielsweise am Montag in der ersten Unterrichtsstunde Klassenregeln festlegen – fast alle Schüler in der zweiten Unterrichtsstunde keinen Gedanken mehr daran verschwenden. Es sei denn, wir halten das Thema lebendig und achten darauf, dass die Ju- gendlichen die Regeln beherzigen. Regelmässig reflektieren wir mit ihnen, wie gut deren Einhaltung klappt. Und was lernen die Schülerinnen und Schüler, wenn eine Lehrperson nicht exakt darauf achtet, dass ihre Schüler die Regeln einhalten? Ganz
Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015 F O K U S 15
Prästrukturierend handeln
Der Fokus von Classroom-Management liegt darauf, wie Fritz Fischer präventiv und proaktiv handelt.
Proaktiver Bereich
Vorausschauend handeln, bevor eine Störung auftritt.
• Positive Beziehung zu den Schülern aufbauen.
• Gute Vorbereitung auf den Unterricht.
• Unterricht an die Vorerfahrungen und die
Bedürfnisse der Schüler ankoppeln.
• Störungsarme Strukturen im Klassenraum.
• Über Anerkennung, Lob und Wertschätzung führen.
• Rituale einführen.
• Präsenz zeigen.
Reaktiver Bereich
Sanktionen
Zeit
Schüler stört


































































































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