Page 44 - Schulblatt Thurgau 06 2013
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Die Schweiz ist auch s̈kularer geworden, denn deutlich mehr zu-
genommen als der Anteil der nichtchristlichen Religionsangeḧ-
rigen hat der Anteil der Religionslosen, der heute bei knapp 25%
liegt. Der Unterricht muss also auch Scḧlerinnen und Scḧlern
gerecht werden, die nicht religïs sozialisiert wurden. Dies bedingt
nicht nur einen m̈glichst «unparteiischen» Religionskundeunter-
richt, sondern auch die Anerkennung von Religionszugeḧrigkeit
und Religionslosigkeit als gleichberechtigte M̈glichkeiten. In
Bezug auf pers̈nliche Religiosiẗt gelten zwei Drittel der Schwei-
zer Bev̈lkerung als «distanziert». Sie m̈gen gewisse religïse
oder spirituelle Vorstellungen haben, aber Religion spielt in ihrem
Leben keine wichtige Rolle. Dazu kommt, dass ̈ber pers̈nliche
Sandmandala, Kreuzlingen
Bild: zVg
Religiosiẗt in der Schweiz kaum gesprochen wird. Sogar die CVP-
Bundesr̈tin Doris Leuthard l̈sst diesbez̈gliche Fragen mit dem
PmS KREuZLInGEn
Hinweis, dass Religion in der Schweiz «Privatsache» sei, unbeant-
wortet. Im Religionsunterricht hat sich der Fokus ebenfalls von der
pers̈nlichen Religiosiẗt auf die Rolle verschoben, die Religion in
Der ver̈nderten der Gesellschaft spielt. Die Scḧlerinnen und Scḧler ̈ben, das
erarbeitete Wissen auf gesellschaftliche Fragen anzuwenden, und
Religionslandschaft arbeiten dabei unter anderem mit aktuellen Schweizer Medien.
Religion als Thema im ̈ffentlichen Diskurs hingegen hat zuge-
nommen – trotz der Bedeutungsabnahme von individueller Religi-
Rechnung tragen
osiẗt. Es geht dabei nicht nur um das Christentum, sondern auch
um andere Religionen, insbesondere um den Islam. Ḧufig dient
Religion der Abgrenzung und Grenzziehung zwischen Gruppen
und erscheint im Zusammenhang mit politischen Konflikten. Dies
gilt f̈r Konflikte im Ausland wie in der Schweiz, und so werden
auch in den Schulzimmern der PMS engagierte Diskussionen Im Religionsunterricht erarbeiten die Scḧlerinnen
̈ber beispielsweise Minarette, Kopfẗcher oder Burkas gef̈hrt. und Scḧler der PmS religionskundliches Wissen zu
Dazu braucht es neben der Religionskunde ein allgemeines Nach-
denken ̈ber Religion, ̈ber ihre Wirkungsweisen und Funktionen, verschiedenen Religionen und denken ̈ber deren
̈ber Respekt, Toleranz und die Grenzen von Toleranz. Ziel ist, dass Funktionen und Wirkungsweisen nach. Damit wird
die Scḧlerinnen und Scḧler der PMS Kompetenzen entwickeln, der ver̈nderten Religionslandschaft in der Schweiz
die ihnen einerseits als k̈nftige Lehrpersonen helfen, religions- Rechnung getragen.
bedingte Konflikte im Schulzimmer zu vermeiden. Andererseits
sollen sie als k̈nftige (Stimm-)B̈rger das R̈stzeug bekommen,
um das Thema der Religion in der ̈ffentlichkeit m̈glichst vorur- Ruth Thomas, Lehrerin f̈r Religion, P̈dagogischen Maturiẗtsschule
teilsfrei, mit Wissen und Kompetenz zu diskutieren.
D
Mahmud-Moschee, Z̈rich
Bild: Ruth Thomas
ie Mahmud-Moschee wurde 1963 in Z̈rich er̈ffnet,
die erste Moschee der Schweiz. Der damalige Stadt-
pr̈sident Emil Landolt nahm pers̈nlich an der Er̈ff-
nungsfeier teil. Die Z̈rcher freuten sich, zeigte das Geb̈ude doch
die Weltoffenheit ihrer Stadt. Einsprachen hatte es keine gegeben,
obwohl das Minarett bis auf eine Ḧhe von 18 m reicht. Seither
hat sich die Religionslandschaft in der Schweiz allerdings grund-
legend ver̈ndert, wie das Nationale Forschungsprogramm NFP
58 deutlich zeigt. Die Schweiz ist multireligïs geworden. Waren
1970 noch rund 95% der Bev̈lkerung katholisch oder reformiert,
ist diese Zahl unterdessen auf rund 63% gesunken, ẅhrend
etwa 12% der Bev̈lkerung anderen Religionen angeḧren. Der
Prozentsatz nichtchristlicher Scḧlerinnen und Scḧler liegt aller-
dings ḧher, weil beispielsweise die muslimische Bev̈lkerung ein
besonders tiefes Durchschnittsalter aufweist. Wer heute im p̈da-
gogischen Bereich arbeitet, braucht folglich religionskundliches
Wissen. Die Scḧlerinnen und Scḧler erarbeiten ein m̈glichst
breites Grundwissen und besuchen neben Kirchen auch eine Mo-
schee und nach M̈glichkeit einen Tempel oder eine Synagoge.