Page 50 - Schulblatt Thurgau 04 2014
P. 50
50 K U LT U R Schulblatt Thurgau 4 • August 2014
Willi Oertig bei der Arbeit.
Bild: Lukas Fleischer
KULTURAGENDA
Ausdrucksm̈glichkeiten weiter, so dass er heute als Scḧpfer
fotografisch klarer Realiẗtsdarstellungen schweizweit bekannt
ist. In seinen Bildern spiegelt sich eine sichtbare Wirklichkeit und
Willi Oertig:
ein aktuelles Lebensgef̈hl – die entleerten Bildr̈ume zeigen ein
Lebensgef̈hl jener Individuen, die immer am falschen Ort sind,
die nie ankommen und nie ruhen.
See- und Wasserbilder
Willi Oertig gestaltet in seinen See- und Wassergem̈lden Stim-
mungen, denen wir uns nicht entziehen k̈nnen, da sie Projek-
tionsfl̈chen unseres unmittelbaren Lebensraums sind. Fragen
beginnen Gestalt anzunehmen. Fragen nach der Heimat, nach
Blau ist das lebenspendende Prinzip – die Farbe der
dem See und dem Lebensgef̈hl, das uns am Bodensee umgibt.
Seen, Meere und des Himmels. Die Farbe des Leben- Die banalen Alltagsorte verzaubert der Maler mit verschiedenen
digen und der Unendlichkeit.
Lichtstimmungen. Die «Blaue Stunde» kennzeichnet jenen fl̈ch-
tigen Augenblick zwischen Tag und Nacht, zwischen Licht und
Dunkelheit, die in unwirklicher Zartheit immer wieder in Willi
Frauke Dammert, Kuratorin Seemuseum Kreuzlingen
Oertigs Bildern zu entdecken ist. Das kennen wir hier alles am
Bodensee oder doch nicht?
M
it einer repr̈sentativen Werkauswahl von See- und Dazu finden sich in Oertigs Bildern auch technische Formen
Wasserbildern pr̈sentiert sich einer der unkon- und deren architektonische Umr̈ume in Form von Molen und
ventionellsten Maler der Schweizer Kunstszene im
Steganlagen. Hier am See und auf dem Wasser finden wir sie,
Seemuseum Kreuzlingen. Willi Oertigs Bildwelten bewegen sich die Schiffe, F̈hren und Boote. Wunderwerke der Technik, die
zwischen Leichtigkeit und Melancholie, zwischen Entfremdung der Maler in feinster Pr̈zisionsarbeit und mit Akribie wiedergibt.
und Sehnsucht und zwischen Bekanntem und Unbekanntem. Es ist, als lehnten wir uns gegen eine Schiffsreling und sp̈rten
Seltsam bekannt ist uns sein Blick und die Perspektive auf den den See auf unserer Haut. Fahren wir mit, bleiben wir hier?
See – aber kennen wir auch die Emotionen, die seine Bilder trans-
portieren? Ist das der Blues, der Farbe bekommen hat? Seit ̈ber Gerade in seinen neueren Werken reduziert Willi Oertig das Dar-
40 Jahren schafft der Kradolfer Willi Oertig Landschaftsbilder, gestellte immer weiter auf das Wesentliche und fokussiert damit
Stillleben und Interieurs. Beharrlich entwickelte der Maler seine
zunehmend eine Leere. Diese Leere – und die Auseinander-