Page 25 - Schulblatt Thurgau Juni 2015
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fiehlt sich, eine angestrebte Verhaltensänderung in konkrete und positiv formulierte Teilaspekte aufzugliedern und in kleinere Zwischenziele aufzuteilen («In der nächsten Stunde streckst du auf, wenn du etwas sagen möchtest»). Auch vorgängig gemein- sam besprochene Strategien zur Zielerreichung können helfen. Zudem werden nicht nur konkrete Erfolge, sondern auch erkenn- bare Bemühungen anerkannt («Du hast dich sehr angestrengt. Mach weiter so.»).
Grundsätzlich wird das erwünschte Verhalten so oft wie möglich beachtet und hervorgehoben. Im Klassenverband muss das nicht sehr prominent passieren. Oft reicht ein Lächeln, ein Nicken oder allenfalls ein erhobener Daumen. Explizites Lob erfolgt bei der bilateralen Besprechung über die definierte Zielerreichung. Allgemein wird Lob möglichst konkret und nicht allgemein ge- äussert (nicht «Du verhältst dich jetzt schon recht gut.», sondern «Ich finde es toll, dass du jetzt nach der Pause jeweils an dei- nem Platz sitzt und das Arbeitsmaterial bereit hast.»). Mittels der gemeinsam definierten Ziele und der ermöglichten Erfolgserleb- nisse wird auch das Bedürfnis nach Kompetenz und Kontrolle des Kindes befriedigt und das Gefühl der Selbstwirksamkeit erhöht.
Grenzen setzen und Strukturen schaffen
Kinder haben das Bedürfnis nach eindeutigen, transparenten Grenzen und Regeln. Es ist wichtig für Kinder, dass die Lehr- person klar formuliert, welches Verhalten erwartet wird, was to- leriert wird und was nicht. Schülerinnen und Schüler wollen eine Lehrperson, die sich durchsetzen kann und zuverlässig handelt. Das gibt ihnen die notwendige Sicherheit. Deshalb sind positiv formulierte und nach Möglichkeit gemeinsam mit den Kindern ausgearbeitete Klassen- bzw. Schulhausregeln ein unerläss- liches Hilfsmittel. Die Einhaltung der Regeln ist verbindlich, d.h. auf Regelverstösse wird unmittelbar und konsequent reagiert. Auch Strukturen geben Sicherheit. Der schulische Tagesablauf ist bekannt und wird mittels eingeübter Rituale akzentuiert (z. B. läuten der Klangschale durch Lehrperson) und bei jüngeren Kin- dern visualisiert (z. B. Tages- und Wochenplan).
Das Kind aktivieren
Auch die Unterrichtsgestaltung hat einen Einfluss auf das Verhalten der Schülerinnen und Schüler. Wenn Unterricht als langweilig empfunden und niemand aktiviert wird, reagieren einige mit störendem Verhalten, um das unangenehme Gefühl der Untererregung aufzuheben. Dabei ist nicht eine kognitive Unterforderung ausschlaggebend, sondern der Zustand der Nicht-Aktivierung. In anregenden Lernsituationen, in denen sich
ein Kind vom Inhalt angesprochen fühlt und aktiviert ist, wird es weniger zu störendem Verhalten neigen. In diesem Zusammen- hang ist auch unterstützend, den Unterricht pünktlich zu begin- nen und Übergänge in der Unterrichtsgestaltung möglichst kurz und kontrolliert ablaufen zu lassen. Verzögerungen oder längere Gespräche mit einzelnen Kindern werden in diesen Phasen ver- mieden, damit unproduktive Zeiten nicht zu störendem Verhalten verleiten.
Fazit – bei störendem Verhalten ist es sinnvoll, direkt in der Situation zu reagieren, und zwar: • unmittelbar
• konsequent
• möglichst kurz und unspektakulär
• möglichst positiv «Leandro, bitte setz dich an deinen Platz.» • mit zustimmender Reaktion sofort nach der Aufhebung der
Störung (z. B. bedanken, freundliches Nicken, etc.).
Eine nachhaltig effektive Intervention auf störendes Verhalten steht jedoch nicht ausschliesslich in direktem Zusammenhang mit diesem, sondern bezieht sich auch auf die Stärkung bzw. Optimierung grundlegender Aspekte wie Beziehung, Selbstwert und Massnahmen zur Klassenführung.
PORTRÄT
Gabriela Wartenweiler studierte
Psychologie und Pädagogik an der Universität Zürich. Seit 1999 ist sie als Schulpsychologin im Kanton Thurgau tätig. Sie leitet den Fachbereich Schulpsychologie im AV.
LITERATUR
• Eichhorn Ch. (2008). Classroom-Management.
Wie Lehrer, Eltern und Schüler guten Unterricht gestalten. Stuttgart: Klett-Cotta.
• Hattie, J. A. C. (2009): Visible Learning. A synthesis of over
800 meta-analyses relating to achievement. London & New York: Routledge.
• Reiss, S. (2000): Who am I? The 16 Basic Desires
that Motivates our Behavior and Define our Personalities. New York: Tarcher/Putnum.
• Steins G. (2014): Sozialpsychologie des Schulalltags. Grundlagen und Anwendungen. Lengerich: Pabst Science Publishers.
Schulblatt Thurgau 3 • Juni 2015 F O K U S 25