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Schulblatt Thurgau 6 • Dezember 2013 RuND uM DIE scHuLE 47








gesetzt wurde; Pfarrherren spielten immer noch eine dominante 
Rolle. Diese Zusammenarbeit wurde in der Zeit der Restauration 

aufgegeben, und die Konfessionen versuchten ihren Einfluss zu 
versẗrken. Erst mit der Verfassung von 1831 wurde die Schule 
zur Staatsaufgabe erkl̈rt. Gem̈ss Zweckartikel des Schulge- 

setzes von 1833 hatten die Schulanstalten die Aufgabe, «die 
Anlagen und Kr̈fte des Geistes und Gem̈thes der Kinder zu 

entwickeln, und die Kinder zur T̈chtigkeit f̈r das b̈rgerliche 
Leben, zu sittlich guten und religïsen Menschen zu bilden». 

Bei der Aufz̈hlung des zu erteilenden Unterrichtes durch die 
Elementarschule heisst es am Schluss: «[.] sie bereitet durch 
religïse Ged̈chtniss̈bungen und biblische Geschichte auf den 

Religionsunterricht vor». F̈r den konfessionellen Religionsunter- 
richthattendieKirchenzusorgenunddabeibliebesbisheute.12 

Die Biblische Geschichte verlor an Bedeutung, wurde oft gar 
nicht erteilt und gibt in der zunehmend multikulturellen Gesell- 
schaft Anlass zu Diskussionen. Im aktuellen Lehrplan f̈r die 

Primarschule von 2006 heisst der Bereich neu «Biblische Ge- 
schichte, Religion und Kultur», wird unter «Andere Unterrichts- 

bereiche» aufgef̈hrt und umfasst 3 von 204 Seiten, wird aber 
immerhin noch vor der Informatik eingereiht. In der Stundentafel 

Holzschnitt zum Titelblatt von Luthers Sendschreiben von 1524 aus der Erfurter wurde Biblische Geschichte schon fr̈her gestrichen.
Ausgabe von Wolfgang Sẗrmer. Der Holzschnitt soll von Hans Holbein dem 
Auch wenn Religion als Schulfach kaum mehr eine Rolle spielt, 
J̈ngeren stammen, der offenbar mit dem Bildgegenstand vertraut war. Neu war, 
dass jetzt auch M̈dchen zur Schule geschickt, aber nach der Ẅrttembergischen so ist festzustellen, dass die Pfarrherren bis weit in die zweite 
Ḧlfte des 20. Jahrhunderts in den Schulbeḧrden gut vertreten 
Schulordnung von 1559 getrennt unterrichtet werden sollten «und der Schulmeister 
keins wegs gestatte, under einander zu lauffen, oder miteinander unordentliche waren und oft auch als Pr̈sidenten amteten. An den Mittel- 
Gemeinsame zuhaben, und zusamen zuschlieffen». (Horst Schiffler, Rolf Winkler schulen wurden die evangelischen und katholischen Kirchen- 

(1999): Tausend Jahre Schule. Eine Kulturgeschichte des Lernens in Bildern.
r̈te noch bis Ende der 80-er Jahre zu den Schlusspr̈fungen 
6. Auflage, Belser Verlag, Stuttgart und Z̈rich. Seite 63.
und den anschliessenden Essen eingeladen, wobei sie letztere 
meist bevorzugten. Und zum Schluss: In den Schulzeugnissen 

stand bei der F̈cherauflistung die Religion bis vor wenigen 
Ulrich Spon in Uttwil auf die Frage, was unterrichtet werde, mit: Jahrzehnten an erster Stelle.

«Buchstabieren, getruktes und geschriebnes Lesen und schrei- 
ben.» Als Lehrmittel verwendete er «Namen B̈chli, Lehrmeister, 

Zëgnuss, Psalmenbuch, Testament, das Waserische Schul- 
b̈chlein etwan auch Zeitungen, und biblische Historien». Mit ANMERKUNGEN
Ausnahme des Namenb̈chleins (Lesebuch f̈r Anf̈nger) und 

der Zeitungen waren die andern Lehrmittel geistliche Schriften. 8 1 Vgl. Dolch, J. (1959). Lehrplan des Abendlandes. 
Ganz ̈hnlich in Kradolf, wo man neben dem Namenb̈chlein 
Ratingen: Aloys Henn Verlag. S. 18
und Briefen den kleinen und grossen Z̈rcher Katechismus, das 2 Vgl. Nipkow, K. E. (2004). Religion/religïse Erziehung. In: 
Zeugnis- und das Psalmenbuch sowie das (neue) Testament 
D. Benner & J. Oelkers (Hrsg.). Historisches Ẅrterbuch der 
verwendete.9 In der katholischen Schule Oberwangen wurde P̈dagogik. Weinheim: Beltz. S. 807 bis 823.
neben Lesen und Schreiben auch «der Kathechismus nach der Vgl. ebd. 812
geẅhnlichen Willensmeynung der Stifter unserer Katholischen 3 
4 Vgl. ebd. 813
Schulen» unterrichtet und dazu «Das St. Gallische Schulb̈chlein, 5 Vgl. ebd. 815
wie auch zur Uebung nebst dem Kathechismus andere n̈tzliche 
6 Vgl. ebd. 816
B̈cher» gebraucht.10 Folgerichtig spielte die Religion bei den 7 Vgl. ebd. 817
Examen eine wichtige Rolle. In Scherzingen wurden die Kinder 
8 www.stapferenquete.ch/Uttwil
«vornemlich im lesen, und dem auswendig erlernten examiniert, 9 www.stapferenquete.ch/Kradolf
und mit den gr̈sseren ein examen ̈ber eint und andere reli- 
gions wahrheiten nach anleitung des Catechismi angestellt».11
10 www.stapferenquete.ch/Oberwangen
11 Daniel Tr̈hler, Andrea Schwab (Hrsg.) (2006): Volksschule im 18.

Religion verliert ihre Dominanz
Jahrhundert. Die Schulumfrage auf der Z̈rcher Landschaft in den 
Jahren 1771/1772. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn. Ant- 
Die Helvetik beabsichtigte Staat und Kirche zu trennen. Wegen 
der Zeitumsẗnde blieb das helvetische Schulgesetz blosser worten des Scherzinger Pfarrers Felix Hofmeister (1731 bis 1796).
Entwurf. Als Fortschritt darf im Thurgau vermerkt werden, dass 12 StATG, Die Rechtsver̈ffentlichungen des Kantons Thurgau seit 

der neugeschaffene Erziehungsrat als Aufsichtsorgan ̈ber 1798. Schulgesetz von 1833.
evangelische und katholische Schulen pariẗtisch zusammen-





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