Page 61 - Schulblatt Thurgau 04 2014
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Schulblatt Thurgau 4 • August 2014 SchlussVERSion 61
Bild: Kathrin B̈gli
Aller Anfang
Dreiviertel Jahr wuchs ich entstresst.
Dann wurde ich hinausgepresst
ist schwer
in den sterilen Neonsaal.
Mein Lebensstart war eine Qual.
Bevor ich noch erst Luft geholt
bekam ich das Ges̈ss versohlt,
begann – gehalten an den Beinen –
kopf̈berḧngend laut zu weinen.
Vielleicht auch, weil ich, statt verkabelt,
alleine war und abgenabelt.
Als Antwort auf mein schrilles Br̈llen
begann die Mutter mich zu stillen.
Nur war die ihre Brust noch trocken,
mein Saugreflex geriet ins Stocken
und ich begriff den Ernst des Lebens:
ein armer Schlucker saugt vergebens!
Als ich dann lautstark protestierte,
man mir den Schnuller implantierte.
Dann schob man mich – geht es noch schlimmer? – Grunds̈tzlich poesiert Christoph Sutter
ins glassterile S̈uglingszimmer,
hier exklusiv zum jeweiligen SCHUL-
ins markdurchdringende Gejammer
BLATT-Schwerpunkt. Ausnahmsweise
der Leidgenossen dieser Kammer.
stammt diesmal das Gedicht aus sei-
nem neu erschienenen Buch:
So lag ich nun mit voller Windel
beim neugeborenen Gesindel
«Wellnessverse»
und hoffte, von dem Duft benebelt
von Christoph Sutter
und durch die Laken arg geknebelt,
mit Illustrationen von
ich m̈ge m̈glichst bald auf Erden
Johannes O. Ulrich
als Menschenskind ent-wickelt werden!
Neptun-Verlag, ISBN:
Christoph Sutter
978-3-85820-277-2