Page 5 - Schulblatt Thurgau Februar 2015
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Schulblatt Thurgau 1 • Februar 2015 F O K U S 5
Wirkungsgeflecht der Klassenführung
(in Anlehnung an Helmke, 2014, S. 177)
Lehrperson
Professionswissen
Orientierungen Einstellungen Subjektive Theorien
Emotionskontrolle Empathie Selbstreflexion Glaubwürdigkeit Autorität
Qualität des Unterrichts
Lernförderliches Klima, Beziehungsqualität, Fehlerkultur, Motivierung, Kognitive Aktivierung, Klarheit und Strukturiertheit, Sicherung und Konsolidierung, angemessener Umgang mit Vielfalt; Variable Lehr-Lern-Angebote, Kompetenzorientierung
Klassenführung
Allgegenwärtigkeit, Monitoring, Nutzung der Unterrichtszeit, klare und verbindliche Regeln, Prozeduren, Routinen, Signale, Rituale, Umgang mit Störungen und Aufbau erwünschten Verhaltens
Schulischer Kontext
Aktive Lernzeit
Individuelle Lernaktivitäten
Unterrichtswirksame Führung, Kooperations- und Evaluationskultur, Zusammenarbeit Schule – Eltern, Klassenzusammensetzung, Klassenklima, fachlicher und didaktischer Kontext
deutschsprachigen Raum dagegen führt die Klassenführung in der Forschung und auch in der Lehreraus- und -fortbildung noch immer ein Schattendasein. Die vieldiskutierte Hattie- Studie – deren Datengrundlage bekanntlich ausschliesslich aus Metaanalysen besteht – ist für einen Bericht des Forschungs- standes zur Klassenführung allerdings wenig ergiebig, weil sich Hattie (2013) auf sehr wenige Metaanalysen zur Klassenfüh- rung (S.122) und zum «Reduzieren von Unterrichtsstörungen» (S.124f.) stützen kann. Die Darstellung in diesem Artikel orien- tiert sich an den o.g. Handbooks sowie an den Monographien von Evertson & Emmer (2012) und Emmer & Evertson (2012). Zum besseren Verständnis der Forschungsergebnisse wird im Folgenden ein theoretisches Rahmenmodell vorgestellt, anhand dessen sich der empirische Forschungsstand besser einordnen lässt. Es soll auch vor kurzschlüssigen, Fast-Food-Interpreta- tionen schützen und den Blick auf ein Geschehen werfen, das komplex und systemisch ist (siehe Grafik). Auf dieser Grundlage lässt sich über die Wirksamkeit der Klassenführung Folgendes sagen:
1. Komplexes Wirkungsgeflecht
Klassenführung ist Teil eines komplexen Wirkungsgeflechtes, abhängig insbesondere von Merkmalen der Lehrperson und wechselseitig verknüpft mit der Qualität des Unterrichts und der personalen Beziehungen. Das Ganze ist eingebettet in vielfäl- tige Kontexte, wobei vor allem dem Schul- und Klassenkontext überragende Bedeutung beigemessen wird – siehe Abschnitt 6.
2. Zielkriterien
Die Forschung zur Wirksamkeit der Klassenführung hat unter- schiedliche Zielkriterien verwendet. Kausal am nächsten sind die aktive Lernzeit sowie Merkmale des beobachtbaren Lern-
verhaltens von Schülern (wie Engagement, Anstrengungsbe- reitschaft und Ausdauer). Insbesondere sichert eine effiziente Klassenführung die für das aktive Lernen zur Verfügung ste- hende, störungsfreie Zeit – und die aktive Lernzeit ist ihrerseits ein Prädiktor für den Lernerfolg, wie die Hattie-Studie belegt (Effektstärke von d = 0,38, Hattie, 2013, S. 219).
Die meisten Studien gibt es indes zur Lernwirksamkeit, d.h. zu messbaren fachlichen Kompetenzen. Die internationale For- schung zeigt, dass kein anderes Merkmal so eindeutig und konsistent mit dem Leistungsniveau und -fortschritt von Schul- klassen verknüpft ist wie die Klassenführung. So befindet sich Classroom-Management nach den kognitiven Schülerkompe- tenzen an der zweiten Stelle der Rangliste in der einflussreichen Metaanalyse zu Bedingungsfaktoren schulischer Leistungen von Wang et al. (1993, S.93). Hattie (2013, S.122) belegt ebenfalls, dass Classroom-Management einen starken Effekt auf Lern- erfolg (d = 0.52) und Anstrengungsbereitschaft (d = 0.62) hat und legt dabei die Metaanalyse von Marzano (2000) zugrunde.
In Deutschland hat zuletzt die DESI-Studie gezeigt: Die Wirk- samkeit der Klassenführung korrelierte nicht nur signifikant mit dem Leistungszuwachs (Hörverstehen im Fach Englisch), son- dern auch mit dem Zuwachs an Lerninteresse im Fach Englisch (Helmke et al., 2008). Auch für die Grundschule konnten wir die Wirksamkeit der Klassenführung nachweisen (Helmke et al., 2010). In der Gesamterhebung MARKUS in Rheinland-Pfalz zeigt eine Gegenüberstellung der erfolgreichsten und der am we- nigsten erfolgreichen Klassen (Kriterium: Mathematikleistung, be- reinigt um Unterschiede in den Eingangsvoraussetzungen), dass sich die beiden Gruppen am stärksten im Hinblick auf die Effi- zienz der Klassenführung unterschieden (Helmke et al., 2002).


































































































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