Page 25 - Schulblatt Thurgau 03 2014
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Schulblatt Thurgau 3 • Juni 2014 F O K U S 25
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Hausaufgaben
Hausaufgaben l̈sen Gef̈hle aus
Rund um die Hausaufgaben geht es oft um andere Themen.
als komplexe Die Situation scheint besonders anf̈llig zu sein, da verschie-
dene Welten mit all ihren Bed̈rfnissen, Gef̈hlen und Anfor-
Angelegenheit
derungen aneinander geraten: Kind, Mutter, Vater, Geschwister,
Elternpaar, Lehrperson, Schulsystem, Erwerbsarbeit der Eltern,
Freunde des Kindes. Eine komplexe Angelegenheit. Eltern,
die sich bei der Pro Juventute Elternberatung melden, berichten
oft, wie es ihnen dabei geht: Sie erz̈hlen von ihrer Unsicherheit
Hausaufgaben sind ̈fters ein Thema bei der Pro- im Zusammenhang mit den Hausaufgaben, von ihren Fragen,
Juventute-Elternberatung.
vom ̈rger und ihren ̈ngsten. Viele machen sich Vorẅrfe, weil
sie viel souver̈ner mit dem Thema umgehen m̈chten. In der
Beratung versuchen wir, zu normalisieren und in kleinen Schrit-
Daniela Melone, Abteilungsleiterin Pro Juventute Elternberatung
ten miteinander L̈sungen f̈r die Situation zu entwickeln.
R
Dialog schafft Klarheit
olf M̈ller ruft abends bei der Pro Juventute Eltern- Bei der Pro Juventute Elternberatung regen wir ḧufig an, das
beratung an. Er erz̈hlt, dass sein 10-j̈hriger Sohn Gespr̈ch mit den Lehrpersonen zu suchen. Kinder berichten
Stefan meist unkonzentriert und tagtr̈umend an sei-
zu Hause das, was sie im Unterricht als Inhalte oder als Kom-
nen Hausaufgaben «herumknorze». Das Ganze zieht sich ̈ber munikation der Lehrperson verstanden haben. Das ist nicht
Stunden bis in den Abend. Die Mutter Eva M̈ller ist dann meist zwangsl̈ufig identisch mit dem, was die Lehrperson gesagt
schon genervt, weil sie versucht hat, Stefan zu helfen und ihn oder gemeint hat. Das ist vielen Eltern und Kindern nicht immer
zu motivieren. Er lehne kategorisch jede Hilfe und alle Tipps ab. bewusst. An Elternabenden informieren Lehrpersonen zwar ̈ber
Je m̈der der Sohn gegen Abend ist, desto gereizter wird die Hausaufgaben, aber im Familienalltag sind solche Informationen
Stimmung und endet oft im Streit. Meistens hat der Sohn dann oft nicht pr̈sent. Hilfreich sind hier kleine schriftliche «Leitge-
die Hausaufgaben irgendwann erledigt, aber der Weg dahin ist danken» der Lehrperson: Was ist ihr im Zusammenhang mit den
f̈r alle schwierig und kr̈fteraubend.
Hausaufgaben wichtig? Auf dem gleichen Blatt k̈nnten dann
auch das Kind und die Eltern f̈r sich aufschreiben, was ihnen
Worum geht es?
wichtig ist, welche Ẅnsche sie haben oder wo noch Fragen
Auch wenn sich die geschilderten Situationen ̈hneln, wird beim offen stehen. Einige Wochen nach dem Gespr̈ch mit Rolf M̈ller
konkreten Nachfragen meist sichtbar, worum es eigentlich geht. meldet sich seine Frau und berichtet, dass sich die Situation sehr
Rolf M̈ller schilderte Stefan als neugierig und aufgeweckt. Er entspannt habe, seit sie miteinander anders ̈ber die Hausaufga-
geht gerne zur Schule. Kommt er nach Hause, prallen verschie- ben sprechen k̈nnen.
dene Bed̈rfnisse aufeinander: Er m̈chte spielen und seinen
Interessen nachgehen. Dabei ist er m̈de und m̈chte in der www.projuventute-elternberatung.ch
N̈he seiner Mutter sein. Im Verlauf des Gespr̈chs wird Rolf
M̈ller klar, wie komplex das Ganze ist und dass er und seine
Frau als Eltern eine genaue Vorstellung
davon haben, wie das mit den Hausauf-
gaben ablaufen sollte. Er entdeckt, dass
sie Stefan Tipps immer ungefragt, jedoch
gut gemeint, geben. F̈r ihren Sohn ẗnt
das so, als trauen ihm die Eltern nichts
zu, als habe er versagt. Rolf M̈ller nimmt
sich vor, in Zukunft zu fragen, ob ein Tipp
und die Hilfe der Eltern erẅnscht sei
und falls ja, auf welche Art und Weise.
Falls nein, wird er ihm sagen, dass es in
Ordnung ist, wenn er selber eine L̈sung
sucht. Er wird ihn dann aber fragen, wie sie
bis dahin die Situation miteinander so ge-
stalten k̈nnen, dass es keinen Streit mehr
gibt. Zusammen mit der Fachberaterin geht
Laura, 4. Klasse
er die Situation durch und bespricht m̈g-
liche Stolpersteine.